Schwarzes Gold Roman
zwei ganze Flaschen Whisky mit Arne Ekeland, nur weil
er die Absicht hatte, eine größere Malerei zu erstehen. Es benötigte noch
vier weitere Nächte dieser Art, verteilt auf vier Monate, bevor er seinen
Willen bekam. Leichter war es da mit Weidemann und Ludvig Eikaas und Jens
Johannessen. Als norwegischer Kunstsammler durfte natürlich auch ein Munch
nicht fehlen. Selbstverständlich hatte er auch vor, sich einen Munch zu
kaufen.
Terje Plesner war bekannt in Galeristen- und
Künstlerkreisen. Er suchte Zuflucht in der Kunst, wenn er sich langweilte,
blätterte in Katalogen und Zeitschriften. Las er dann gute Kritiken über
Künstler, von denen er noch nie gehört hatte, wurde er ganz aufgeregt und
buchte nicht selten spontan einen Flug, um das Werk in Augenschein zu nehmen.
Er sah ein, dass seine Leidenschaft für Kunst an Besessenheit grenzte, wie die
eines Pokerspielers für sein Spiel. Da er aber immer Geld zur Verfügung
hatte, blieben ihm die schmerzhaften Seiten seiner Sucht verborgen. Erling
trieb gutgelaunte Scherze mit Plesners Kunstinteresse – von dem in der
Wohnung in Røa nichts zu sehen war. Plesner seinerseits wusste, dass Sachs
seine Obsession niemals verstehen würde. Er wusste, dass sie seine Schwäche
war. Und seine schwachen Seiten hielt er vor allen versteckt.
3
Der erste Schultag nach den Sommerferien 1978 war gekommen.
Das Eikeli-Gymnasium lag zurückgezogen in der Talsenke zwischen Lijordet und
Nadderud. Dieser Schulwechsel war für Anders eine Wende. Die Lehrer am
Gymnasium waren anders, sie trugen Anzüge und taten so, als bemerkten sie die
Schüler nicht. Man konnte sich selbst eine Entschuldigung schreiben, wenn man
schwänzte.
Anders stellte sich zu den Großen in die Raucherecke. Es
herrschte Nervosität: neue Schule. Wer ist bei mir in der Klasse? Gibt es ein
paar hübsche Mädchen?
Anders, sonnengebräunt und mit langem Haar, in eine von
Onkel Pål geerbte Militärjacke gekleidet, zog eine Teddy ohne Filter aus der
Tasche und hielt sich meistens zurück. Die Jungen mit dem größten
Selbstbewusstsein diskutierten über die Mädchen: welche gut aussah und welche
nicht. Man verglich amerikanische Frauen mit norwegischen. Norwegische Frauen
trugen weite Pullover und keine BHs und schminkten sich nicht. Norwegische
Frauen sonnten sich oben ohne im Park. Amerikanische Frauen trugen Spitzen und
Netzstrümpfe und hatten Frisuren wie Barbiepuppen. Reiner hatte eine Ausgabe
des Playboy dabei – ein Mädchen aus Kristiansand zierte die Ausklappseiten.
Anders fand es albern, auf dem Schulhof zu stehen und Bilder von nackten
Mädchen anzuschauen, und zog sich zurück. Hier und da nickte er Bekannten zu.
Da war Stian, der seit neuestem in die Kirche ging und sich mit den Christen
von Majorstua und ähnlichen Ecken traf. Da war Rune mit der Hasenscharte und
dem kurzen Pony. Ganz sicher hatte er sich für den naturwissenschaftlichen
Zweig entschieden. Dann war da Willie, der immer Angst hatte, dass ihm etwas
auf den Kopf fallen würde, und Lars, der sich zum x-ten Mal das Bein gebrochen
hatte und deshalb auf Krücken herumhumpelte. Rolf, der Sohn von Reeder Høegh,
und Dag, der saugut Eishockey und Handball spielte, aber er unterhielt sich
schon mit jemand anderem. Da waren Truls mit dem schiefen Grinsen und Petter,
der ein geborener Sprinter war. Hinter Petter entdeckte er Lise. Sie war ein
bisschen mollig und kicherte, sobald man sie ansah. Sie stand mit Bente
zusammen, die nur mit den Lippen küssen wollte und den Kopf abwandte und sich
den Mund abtrocknete, wenn man es mit der Zunge versuchte.
An der Fahnenstange stand ein Mädchen, das Anders noch nie
gesehen hatte. Sie hatte dichtes, schwarzes Haar wie ein Zigeuner. Ihre Lippen
waren voll und rot und schief, ihre Augen mandelförmig und nahezu schwarz. Sie
erwiderten seinen Blick trotzig. Anders bemerkte nicht, dass es läutete. Ohne
zu wissen, was er wollte oder sagen sollte, tapste er ihr einfach nach wie ein
Hundewelpe. Er hatte noch nie jemanden mit vergleichbarem Stil gesehen:
Baskenmütze, Jeansjacke, einen Häkelschal über den Schultern, hautenge
Jeanshosen und hohe Lederstiefel. Nie zuvor hatte er etwas gesehen, was so sexy
war wie diese langen Beine in den anliegenden Levi’s. Sie drehte sich um und
warf einen blitzschnellen Blick auf ihn, dann verschwand sie durch eine Tür.
Anders kam wieder zu sich. Er stand in einem Korridor, der sich langsam leerte,
und ihm wurde
Weitere Kostenlose Bücher