Schwarzes Gold Roman
hatte ihr das Theaterstück
im Fernsehen nicht gefallen. Sie war der Ansicht, dass das ganze Universum in
Ibsens
Puppenheim
wie eine konstruierte Scheinwelt wirkte. Nora Helmer
war eine Art von affektierter Frau, wie sie ihr nie begegnet war. Ihr gefiel
auch nicht, dass Nora ihren Mann verließ. Zu verschwinden war
simpel
und viel zu
einfach
, dachte sie. Doch was sie noch viel düsterer
stimmte, war, dass sie ihre Meinung für sich behielt, dass sie Vebjørn und
all den Gleichgesinnten nach dem Mund redete, die sagten, das Stück sei
gut.
Sie hob den Blick von ihren Unterlagen und heftete ihn auf
Vebjørns Rücken.
»Nora hat also ihren Mann verlassen und echte Tränen
geweint«, wiederholte sie.
»Was hast du gesagt?«
Liv antwortete nicht.
Wenn er zu Hause war, vertrieb Vebjørn sich die Zeit damit,
Patiencen zu legen. Beim Kartenspiel konnte er abschalten. Patiencen zu legen
war eine Beschäftigung, er musste sich nicht mit Liv unterhalten, und sein
Körper schaltete auf einen ruhigeren und langsameren Modus um. Die ewige
Wiederholung, wenn er den »Idioten« legte, war Balsam für seine Nerven. Im
Laufe des vergangenen Jahres hatte er nur ein einziges Mal alle vier Asse
übrig gehabt – bei sicher tausend Versuchen.
Als Liv nicht antwortete, wandte er sich zu ihr um. Sie
wechselten einen Blick. In ihren Augen standen Zorn und eine Flut
zurückgehaltener Beschuldigungen. Ihm wurde klar, dass sie gerade »etwas«
hatte und hoffte, dass ihm mehr davon erspart bliebe. Er hoffte, dass sie
dieses »etwas« für sich behielt. Der Gedanke an Streit und Beschuldigungen
war unerträglich. Die Situation musste entschärft werden.
»Ich habe heute Georg Spenning auf der Straße gesehen«,
sagte er. »Ich glaube, er hat mich nicht wiedererkannt.«
Sie antwortete noch immer nicht. Sie starrte einfach weiter
finster vor sich hin.
»Er hat ganz schön abgenommen. Seine Haare sind ganz weiß
geworden und lang. Er sah aus wie ein verrückter Professor.«
Sie schwieg weiterhin.
»Es geht ihm finanziell nicht so gut, er hat Herzprobleme«,
zählte Vebjørn auf und legte noch ein paar Karten. »Außerdem ist seine
älteste Tochter Sara Augusta gestorben. Krebs.«
Das Klingeln des Telefons unterbrach ihn. Er drehte sich
wieder um. »Willst du nicht drangehen?«
»Ich?«
Er seufzte, erhob sich und ging zum Telefon.
»Vebjørn, hier ist Georg, Georg Spenning.«
Vebjørn war überrascht. Er schloss die Tür zum Wohnzimmer,
um in Ruhe mit seinem alten Chef sprechen zu können. »Wir haben gerade von
dir gesprochen«, stotterte er los. »Ich bin heute auf der Karl Johans Gate an
dir vorbeigefahren.«
»Ich wollte ein paar Dinge mit dir besprechen,
Vebjørn.«
»Und die wären?«
»Der Konkurs von Tandberg. Man sagt, dass die Presse den
Konkurs erzwungen hat, unseliges Geschreibsel über die Buchführung.«
Vebjørn setzte sich. »Das ist doch nicht sicher«, murmelte
er. »Tandbergs Problem war doch die Buchführung an sich und nicht deren
Veröffentlichung.«
»Was meinst du damit?«
»Tandberg hat kein Geld verdient. Man kann noch so
hochwertige Produkte herstellen, wenn der Markt sie nicht haben will, nützt
das alles nichts. Die Kunden haben kein Geld, um so teure Maschinen zu kaufen.
Außerdem sind Tonbandgeräte total out. Man hat jetzt Kassetten. Die Jugend
nimmt Musik auf Kassetten auf, die sie ins Auto und überallhin mitnehmen. Dass
Tandberg Konkurs gegangen ist, ist natürliche Auslese, Georg, Darwin.«
»Aber die Zeitungen haben seitenweise über die
Unregelmäßigkeiten geschrieben.«
»Das ist doch nur Dreck, den niemand ernst nimmt.«
»Ein norwegisches Flaggschiff ist hopsgegangen – und
Tandberg ist tot.«
»Das ist natürlich traurig.«
Stille machte sich breit. Georg Spenning brach sie als
Erster. »Es ist ein Himmelfahrtskommando, Vebjørn.«
Vebjørn betrachtete die Tapete. In ihm herrschten
widerstreitende Gefühle. Schließlich fragte er leise: »Was ist ein
Himmelfahrtskommando?«
»Die Reederei. Ich stehe vor dem Konkurs.«
»Georg, bist du nüchtern?«
»Das ist nicht das Gerede eines Säufers. Spenning & Co
geht in die Luft.«
»Mit der Garantiegemeinschaft?«
»Die Garantiegemeinschaft ist nicht das Problem, die haben
ihren Teil geleistet, und mehr kann ich nicht verlangen. Aker ist mein Problem.
Sie wollen Geld, das ich nicht habe.«
Nun schwieg Vebjørn.
»Du hast recht behalten. Jetzt zeigt es sich, dass du recht
hattest. Ich
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