Schwarzes Gold Roman
dieser im Bett
und starrte an die Decke. Anders ging zum Schrank, mopste die letzten Kondome
und nutzte das Gehör als Entschuldigung:
»Was hast du gesagt?«
»Die Chinesen«, quakte der Vater.
»Was ist mit den Chinesen?«
»Die Kommunisten sind heißblütige Makler. Besonders, wenn
sie aus Kommunisten-China kommen. Man erkennt sie an der Kleidung, den
Anzügen, immer grau, langweilig, billig. Aber sie sind schlau.«
»Inwiefern schlau?«
»Wenn es um Valuta geht. Ich folge den Chinesen, Anders. Das
war der Schlüssel zu meinem Erfolg. Ich habe das getan, was die Chinesen getan
haben. Die Chinesen und die Sowjets sind die größten Akteure auf dem Markt.
Und so ist es mir gelungen. Aber das spielt alles keine Rolle mehr. Ich stehe
am Abgrund.«
Anders nahm Schlaftabletten aus dem Glas auf dem
Nachttisch.
Ihm fiel auf, dass dem Vater Tränen über die Wangen liefen.
Er spürte, wie Ärger in ihm aufstieg, doch er schluckte die Wut.
Er hielt dem Vater eine Handvoll Tabletten und ein halbes
Bier hin.
»Rein damit. Das wird dir helfen.«
Er sah auf die Uhr, während der Vater die Schlaftabletten
schluckte. Es war vier. Noch zwei Stunden, bis die Mutter kam. Renate und er
hatten auf jeden Fall noch Zeit für eine zweite Nummer.
13
Bei Kapitalinvest war man mit dem Trondheim-Seminar sehr
zufrieden. Die Geschichten darüber, was der eine Bankchef im Suff zu einem
anderen gesagt hatte, stimmten fröhlich. Doch irgendwann kehrte der Alltag in
Norwegens führendes Maklerbüro,
wie der neue Slogan des Unternehmens
lautete, wieder ein.
Es war Mittwoch zur Mittagszeit. Huseby hatte Terje Plesner
an der Börse abgeholt. Anschließend hatte er Kaffee für alle gekocht und bei
Halvorsens Conditori Marzipantorte bestellt. Jetzt saß er mit der Empfangsdame
Lise zusammen und ließ sich von ihr die Strickmuster zeigen, die sie für ihre
Schwägerin gekauft hatte.
Im Besprechungszimmer nebenan saßen Plesner und Sachs.
Während sie auf die Nachrichten warteten, diskutierten sie über einen Versuch
der Regierung Nordli, norwegische Arbeitsplätze zu retten: das sogenannte
Volvo Abkommen.
»Norwegen ein Land der Autoindustrie?«
Das war Plesners ständiger Refrain, und er schüttelte
entmutigt den Kopf. Die Frage an sich war schon lächerlich. Er ließ es sich
nicht nehmen, an das norwegische Automärchen von 1956 zu erinnern – damals
war in Lunde in der Telemark der »Troll« gebaut worden, ganze vier Modelle
und einen Prototyp hatten sie zustande gebracht, ehe der gesamte Kram den Bach
runterging. Das musste man sich einmal vorstellen: ein Plastikauto mit
Zweitaktmotor ohne Zugkraft.
»Das war kein Plastik«, korrigierte Sachs, »das war
Polyester-Fiberglas.«
»Was auch nichts anderes als Plastik ist.«
»Die Jungs waren einfach ihrer Zeit voraus. Heutzutage
werden immer mehr Metallteile an Autos durch Plastik ersetzt. Damals hatten die
Schweden auch Zweitaktmotoren in ihren Autos. Bestimmt erinnerst du dich noch
an das Geräusch! Sa-a-a-a—bebb-bebb-bebb-be. Der einzige Unterschied war,
dass der Troll einen Einspritzmotor hatte. Das Unternehmen ist nicht
gescheitert, weil der Troll ein schlechtes Auto war. Es war die norwegische
Spießigkeit und daraus folgend der mangelnde Wille zu Investitionen, die dem
Troll den Garaus gemacht haben.«
»Ach, vergiss den Troll. Der Punkt ist doch, dass die
Schweden nie freiwillig ihr Juwel hergeben werden«, argumentierte Plesner
weiter. »Ihren ganzen nationalen Stolz in Norsk Volvo AS umzutaufen, kommt
doch für die überhaupt nicht in Frage!«
»Guck dir nur mal SAS an«, Sachs lächelte, »Norwegen,
Schweden und Dänemark verwalten gemeinsam ein Unternehmen, warum sollte der
Autoindustrie nicht gelingen, was man im Flugverkehr geschafft hat?«
»SAS geht gerade zum Teufel«, unterbrach ihn Plesner und
fuhr unverdrossen fort: »Volvo ist ein Konzern mit sechzigtausend
Angestellten, letztes Jahr haben sie siebzehn Milliarden umgesetzt!«
»Dafür kriegen sie Plattformen in der Nordsee«, wandte
Erling ein. »Volvo hat große Ambitionen auf dem Ölmarkt. Die Zukunft liegt
im Offshore, da sind wir uns ja wohl einig.«
»Aber sie werden nicht freiwillig auf Arbeitsplätze
verzichten«, sagte Plesner.
»Wir haben die Leichtmetallindustrie in Odda«, sagte
Erling. »Wir haben petrochemische Industrie. Die Zukunft verlangt nach
leichteren Autos. Das heißt, dass auch Aluminium und Plastik eine wichtige
Rolle spielen
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