Schwarzes Gold Roman
hob jemand
ab.
»Guten Abend, mein Name ist Sachs.«
»Ja, bitte?«
Eine Männerstimme. Im Hintergrund ertönte Gekeife, dann
krachte eine Tür zu. Die Geräusche verstummten. Der Mann wiederholte: »Ja,
bitte?«
»Spreche ich mit Aslan Shah?«
»Ja.«
»Ich bin der Mann Ihrer Geliebten.«
Stille.
»Dieses Verhältnis muss aufhören«, sagte Erling. »Sie
wird sich nicht mehr mit Ihnen treffen, weder als Patientin noch unter anderen
Umständen.« Er legte eine Pause ein, um dem anderen Zeit für Protest zu
gewähren. Doch es kam nichts. Also fügte er hinzu: »Außerdem werden Sie mir
fünfzigtausend Kronen bezahlen. Betrachten Sie es als eine Art Bußgeld, dann
fällt es Ihnen vielleicht leichter. Sollten Sie nicht bezahlen, werde ich dem
Wirtschaftsministerium Bilder zukommen lassen, die Sie und meine Frau bei
Intimverkehr in Ihrer Praxis zeigen. Danach werden Sie Ihrer Tätigkeit hier
nicht mehr legal nachgehen können. Sie werden keine Grundlage für eine
Arbeitserlaubnis mehr haben. Haben Sie verstanden?«
»Ja.«
»Bestens. Das Geld können Sie innerhalb von drei Tagen in
meinem Büro abgeben. Es gibt keine Fristverlängerung. Haben Sie
verstanden?«
»Ja.«
»Sehr gut. Auf Wiederhören.«
Erling atmete tief ein. Dann erhob er sich, ging ins
Vorzimmer und zog seinen Wintermantel an. Er stellte sich vor den Spiegel und
ließ sich viel Zeit damit, seinen Schal zu richten. Er schloss ab und fuhr mit
dem Aufzug nach unten. Er ging zu dem schwarzen Mercedes, der am Bürgersteig
geparkt war. Bette Line saß auf dem Beifahrersitz, gekleidet in ihren neuen
Nerzmantel. Er setzte sich hinters Steuer. »Dieser Mantel steht dir wirklich
gut, meine Liebe«, sagte er und küsste sie auf die Wange.
Sie räkelte sich. »Danke«, sagte sie lächelnd. »Aber du
hast so lange gebraucht. Ich fürchte, wir kommen zu spät.«
Er sah auf die Uhr. »Kein Angestellter der norwegischen Oper
wird Frau Sachs die Tür verschließen, wenn sie in ihrem Nerz davor steht«,
sagte er und startete den Wagen.
Bette Line konnte von solchen Komplimenten nie genug
bekommen. Sie streckte sich und küsste ihn auf die Wange. »Ich liebe dich«,
flüsterte sie.
Er strich mit seiner behandschuhten Hand ihren Oberschenkel
entlang. »Ich weiß«, flüsterte er zurück.
14
Anders fuhr in der großen Pause nach Hause, um sich etwas zu
Essen zu holen. Als er das Tor durchquerte, entdeckte er den Wagen seines
Vaters in der Einfahrt. Es war Mittwoch. Vebjørn sollte eigentlich nicht vor
sechs Uhr zu Hause sein. Nur ein Tag war seit Vollendung der letzten Sauf-Woche
vergangen. Heute war der erste Arbeitstag. Und jetzt stand der Wagen schon um
halb zwölf wieder in der Einfahrt. Das konnte nur eins bedeuten, und das auch
noch an dem Tag, an dem er sich gerade wieder berappelt hatte. Das war noch nie
passiert. Anders schloss die Haustür auf. Alle Befürchtungen bewahrheiteten
sich. Vebjørn saß in der Küche, den Kopf über einer halbleeren Flasche
Smirnoff.
Anders tat so, als sähe er die Flasche nicht, er tat so, als
sähe er seinen Vater nicht. Er hatte keine Lust auf das Theater – die
altbekannten Grimassen, die einstudierten Gesten des Vaters, um der
Enttäuschung seines Sohnes zu begegnen. Anders befürchtete lediglich, dass
sein Vater die Flutwelle von Verachtung spüren könnte, die sich in ihm
aufbaute. Er ging zum Schrank, um ein Glas herauszunehmen.
»Zweihundertfünfzig.«
»Wovon sprichst du?« Anders fixierte die Fliesen an der
Wand. Er ließ das Wasser weiterlaufen.
»Zweihundertfünfzig, habe ich gesagt, verdammt noch
mal!«
Anders drehte sich mit zusammengebissenen Zähnen um und sah,
wie sein Vater in die Jackentasche langte und eine Pistole herauszog.
Anders’ Blick ruhte auf der Waffe. Im ersten Moment
wunderte er sich darüber, hier in der Küche eine Pistole zu sehen. Dass sein
Vater eine Waffe in der Hand hielt, war ihm derartig fremd, dass er sich nur
fragte, wie sie den Weg in sein Zuhause gefunden hatte. Doch als Vebjørn mit
dem Arm wedelte und den Revolver umherschwang, überlegte er nicht länger. Er
nahm seine Rolle ein. Ohne eine Miene zu verziehen. Langsam hob er den Arm und
holte ein Glas aus dem Schrank hinter sich. Ruhig nahm er es heraus, füllte es
mit Wasser und drehte den Hahn ab.
Sein Vater betrachtete mit schwerem Blick die Waffe in seiner
Hand.
Anders nahm einen Schluck Wasser, ließ das Glas sinken und
stellte es auf die Anrichte. Sein
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