Schwarzes Gold Roman
Aber es ist vielleicht nicht so schlau, einen Gast hier zu haben,
wenn der Alte in so einer Form ist.«
»Ich kann Jim jetzt nicht wegschicken. Er kommt aus
Stavanger.«
»Tja.«
Sie sahen einander schweigend an. Anders überlegte. Per Ole
überlegte.
»Bakketeig«, sagte Anders. »Da könnt ihr tagelang eure
Rechenstückchen machen, wenn ihr wollt.«
Per Ole lachte. »Red keinen Mist.«
»Der ist auch so ein Genie, genau wie du, das riecht man
zehn Kilometer gegen den Wind.«
Etwas war vom Tor her zu hören. Ein großes, grünes Auto
hielt. Schritte auf der Treppe. Jim Klafstad rief: »Per Ole, vor dem Haus hat
ein Jaguar gehalten.«
Per Ole drehte sich zu Anders herum. »Wer ist das?«
Anders schaute hinaus und sagte: »Ich kenne nur einen, der
einen Jaguar mit Privatchauffeur hat.«
Und ganz richtig, aus dem Wagen stieg Georg Spenning in
seiner ganzen umfangreichen Pracht.
Im Februar regnete es. Die Tropfen legten sich knirschend auf
den Schnee und machten ihn glatt und eisig. Anders ging einfach. Er wusste
nicht, warum und wohin er ging. Die Straße war eng und hatte keinen
Bürgersteig. Gelegentlich hupte jemand aufgebracht. Er beachtete es nicht. Als
der Asphalt aufhörte, passierte er die Schranke und ging weiter den Waldweg
entlang. Irgendwann blieb er stehen und starrte über den Østervann-See. Das
milde Wetter hatte offene Wunden in das Eis gerissen. Er starrte die
Nebelwolken an, die auf der anderen Seite zwischen den Bäumen waberten, die
Regentropfen, die sich in Pfützen auf dem schmelzenden Eis sammelten und das
Wasser an den offenen Stellen graupeitschten. Das Haar klebte an seiner Stirn.
Die Hose klebte an seinen Beinen. Er schauderte, ohne zu merken, dass er fror.
Er stellte seine Schultertasche ab. Beugte sich hinunter und zog die Pistole
seines Vaters heraus. Er wog sie in der Hand. Entsicherte sie. Zog das Magazin
heraus und ließ es auf die Tasche fallen. Dann hielt er sich den Lauf in den
Mund. Er drückte ab.
Er versuchte, sich an den Knall zu erinnern, der durch die
Küche geschallt war. Er nahm das Magazin aus der Tasche. Lud die Pistole und
steckte den Lauf wieder in den Mund. Er schmeckte nichts, gar nichts. Er
spürte den Regen nicht, der an Haarsträhnen hinunter und über seine Stirn in
die Augen lief; Tropfen, die in seine Mundwinkel rollten. Er nahm die Pistole
aus dem Mund. Legte sie auf einen Stein. Neben dem Stein lag ein kleinerer. Er
nahm ihn und hämmerte los. Es ging nicht. Der Stahl war zu hart. Doch er ließ
nicht nach. Er schlug und schlug. Irgendwann begannen seine Finger zu bluten.
Doch er spürte es nicht. Er schlug und schlug, bis er nicht mehr konnte. Dann
verpasste er der Pistole einen Tritt, dass sie sich drehte und über das nasse
Eis rutschte, bis offenes Wasser kam und sie verschwand.
Magazin Avanse, März 1979
Robinson Lindeman auf den sieben
Weltmeeren
Vor wenigen Wochen erlitt die Währungsabteilung der CBK Bank
Schiffbruch. Doch alles ist nur ein Übergang, sagte der Fuchs, als man ihm das
Fell über die Ohren zog. Die rote Rose wurde über Nacht zur schwarzen Tulpe.
Vebjørn Lindeman – des Dollars bester Freund – ist unseren Ahnungen
gefolgt und hat der Bank einen Verlust in Höhe von mehreren hundert Millionen
verursacht, als der Kurs sich mal nicht so bewegen wollte, wie von ihm
erwünscht (oder erhofft). Es überraschte niemanden, dass er sogleich seinen
Hut nahm. Doch der unglückliche Seemann ging nicht unter. In dieser Woche
trieb er auf einem Floß an Land, das ihm sein alter Freund und Chef Georg
Spenning geschickt hatte, Aufsichtsratsvorsitzender und Aktionär der
norwegischen Reederei Spenning AS, ehemals bekannt als Spenning & Co. Und
wer nun glaubt, Linde-man verdient sich die Sporen als Bote, Schauermann oder
Sekretär, der irrt. Vebjørn Lindeman tritt als Konzernchef auf den Plan. Was
ist los mit dem alten Krieger Georg Spenning, fragen wir uns – und nehmen
diese Information ganz sachlich hin, ehe wir hinzufügen: Fuchsjäger der
norwegischen Seefahrt – wetzt die Messer!
15
Es war fast halb elf. Bette Line lag im Bett und schaute
Fernsehen. Sie hatten das Gerät vor dem Bett aufgestellt, wie man es in den
USA machte. Es war Bette Lines ganzer Stolz, die modernste Küche, das
modernste Bad, die schicksten Möbel, die modernsten Küchengeräte, die
neusten technischen Finessen ihr eigen zu nennen. Auf diese Liste von
Annehmlichkeiten gehörte ebenfalls ein
Weitere Kostenlose Bücher