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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Kommunisten, Sozialisten. Wenn sie mit ihnen unterwegs war, trug sie
Schlabberpullis, Wollhemden und ein Palästinensertuch. Mit dieser Renate ging
er am 8. März und am 1. Mai auf Demonstrationen. Dann schlurfte er mit den
anderen durch die Straßen, war einer in der Menge, die in fast peinlicher
Stille unter gemalten Transparenten gingen, auf denen der Sechs-Stunden-Tag und
gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert wurden.
    Er verstellte sich nicht gern. Es endete immer mit einem
Fiasko, wenn er sich in Kreisen bewegte, die verlangten, dass man bestimmte
Codes beherrschte. Ein immer wiederkehrender Quell der Heiterkeit bei Lindemans
war der Zwei-Tage-Anders. Im Laufe der Jahre hatten seine Eltern ihn in alle
möglichen Kindervereine stecken wollen: Segeln mit Tomm Murstad, die
christlichen Pfadfinder, die Skigruppe von Fossum IF, den Fußballverein von
Stabæk, Schützenverein, Schachverband, Kinderchor, Spielmannszug. Widerwillig
ging Anders mit zum ersten Treffen, lehnte augenblicklich ab, wurde dazu
überredet, dem Ganzen doch noch eine Chance zu geben – und hielt sich
anschließend fern. Der Zwei-Tage-Anders konnte nie Spaß heucheln, den er
nicht hatte.
    Jetzt hatte Renate die Rolle der Eltern übernommen und
drängte ihn. »Komm doch mit«, sagte sie und versuchte, ihn damit zu locken,
dass er Leute träfe, die Kontakte zur Zeitung hatten. Schließlich war alles
wie immer, er gab nach, um dem Ganzen eine Chance zu geben.
    Die Treffen wurden in einer Wohnung im Eiksveien abgehalten.
An der Tür hing ein Druck von Munchs Madonna, darunter war der Name Vivian
gemalt. Als die Tür aufging, erkannte Anders sie wieder. Sie war Mitte
zwanzig, groß und dunkel, eine Hippiebraut in Strickklamotten und
Afghanenmantel. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und stillte ihr Baby, ohne
auf ihre Gäste einzugehen. Außer ihm und Renate waren noch drei erwachsene
Männer da, die sich um den Küchentisch verteilt hatten. Einer der drei war
Clark Kent.
    »Nimm zum Beispiel so etwas Einfaches wie die Herstellung
von Brot«, sagte Clark Kent. »Ein Brot besteht aus bestimmten Rohstoffen;
Produktionsfaktoren wie Mehl, Hefe und Wasser. Insgesamt kosten die Rohstoffe,
um ein Brot herzustellen, vielleicht drei Kronen. Trotzdem kostet ein Brot im
Laden vier fünfundneunzig. Warum?«
    Anders lagen diverse Antworten auf der Zunge, doch ihm war
klar, dass diese Antworten nicht in den Dickschädel mit dem ernsthaften Blick
dringen würden. Der Kerl klang wie ein Lehrer.
    Anders schielte zu Renate hinüber, bekam jedoch keinen
Kontakt.
Earth calling Renate, hello, earth calling!,
dachte er.
    »Es gibt lediglich einen Produktionsfaktor, der nicht im
Backvorgang Verwendung findet«, fuhr Bastian fort, »es gibt nur eine Quelle,
die sich dauernd erneuert – von allein –, die also ewig ist und immer
wieder verwendet werden kann – das ist der Bäcker, der Arbeiter. Karl Marx
sagt, dass Wert nur durch den Menschen als Produktionsfaktor geschaffen werden
kann. Dass also der Kapitalismus sein Brot und andere Gegenstände
gewinnbringend verkaufen kann, geht nur, weil der Bäcker, der Arbeiter
unterbezahlt ist. Der Kapitalismus nutzt die Selbsterneuerung des Arbeiters aus
– Marx nennt das Ausbeutung.«
    Anders hob die Hand.
    Renate sah ihn erschrocken an.
    Bastian nickte. »Ja, Anders?«
    »Was hat Karl Marx denn zu Brot im Angebot zu sagen? Wenn
das Weißbrot bei Irma eins fünfundneunzig kostet, demnach weniger als der
Gesamtpreis der nicht erneuerbaren Produktionsfaktoren?«
    Bastian sah ihn fest an.
    Renate wandte den Blick an die Decke.
    Anders schaute von einem zum anderen. »War ja nur einen
Frage«, murmelte er.
    Bastian räusperte sich. »Das Brot war nur ein Beispiel.
Doch die Schlussfolgerung ist, dass der Arbeiter der rechtmäßige Besitzer des
Produkts ist, denn er wird von der Herrscherklasse unterbezahlt. Und eines
Tages holen die Arbeiter sich diesen Besitz zurück. Das ist 1917 in Russland
passiert, 1949 in China …«
    Anders räusperte sich und hob erneut die Hand. Renate
starrte auf die Tischplatte.
    »Ja?«
    »Dieses Brot«, sagte Anders, »ist das nicht
subventioniert, sollte es nicht eigentlich noch viel mehr kosten, aber die
Landwirtschaftszuschüsse …«
    Die anderen seufzten.
    »Es war ein Beispiel«, wiederholte Bastian schwer, »wenn
du willst, können wir auch einen Hobel oder einen Sack Zement zur Anschauung
nehmen.« Er kicherte und sah in die Runde, ehe er

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