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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Gesicht wie versteinert. Er fragte:
»Zweihundertfünfzig was?«
    Die Pistole lag jetzt friedlich auf der Tischplatte. Ebenso
die schlaffe Hand und der Unterarm seines Vaters. Doch den Zeigefinger hielt er
nach wie vor am Abzug.
    »Millionen. Zwei Stunden, bevor die norwegische Staatsbank
die Krone abgewertet hat, habe ich dreihundert Millionen Dollar verkauft! Das
bedeutet einen Verlust von zweihundertfünfzig Millionen beschissenen Kronen in
einem einzigen Deal. Es ist aus …«
    Die Waffe hob sich.
    Sein Vater hielt sich den Pistolenlauf in den Mund. Im selben
Augenblick war Anders bei ihm und zog an seinem Arm.
    Der Schuss krachte.
    Anders spürte einen Luftzug an der Stirn. Er fiel zu Boden,
blieb mit geschlossenen Augen liegen. In der Hand hielt er die Waffe. Er
fühlte nichts. Er war unverletzt. Gott sei Dank. Er war unverletzt. Er
öffnete die Augen. Sabber und Schleim lief seinem Vater aus dem Mund. Vebjørn
starrte die Pistole an, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen.
    Anders schnappte nach Luft. Von der Sitzfläche eines
Küchenstuhls rollte etwas Glänzendes zu Boden, unter den Tisch, blieb liegen.
Es war ein Teil der Patrone, eine leere Hülse, an den Rändern verformt.
Anders setzte sich auf. Der Knall hallte noch immer in seinen Ohren. Mit
zitternden Händen hob er die Pistole hoch. Sie war schwer. Doch sein Körper
war noch schwerer. Es sauste in seinem Kopf. Die Stimme seines Vaters drang zu
ihm durch, einzelne Worte übertönten das Rauschen, wie Bruchteile von
Geräuschen starken Wind durchdrangen. Manche Wörter verstand er, nicht alle.
Er starrte einfach die Pistole an. Wog sie in der Hand. Hielt sie mit zwei
Fingern. Da entdeckte er den Magazinschacht. Ohne nachzudenken zog er mit
zitternden Fingern das Magazin heraus.
    Er stand auf. Es klang dumpf, als er die Pistole auf die
Anrichte legte.
    Sein Vater hatte eine Wunde an der Unterlippe. Ein Riss. Er
wischte sich mit einer Hand über die Augen. Schenkte einen Smirnoff ein. Ein
roter Tropfen breitete sich im Wodka aus, verlieh ihm einen schwachen
rosafarbenen Schimmer. Vebjørn kleckerte. Etwas von dem Schnaps schwappte auf
die Tischplatte. Anders ließ den Blick über die Wände schweifen, um
herauszufinden, wohin die Kugel geflogen war. Schließlich entdeckte er das
kleine Loch in der Schranktür über der Spüle. Er ging zum Schrank, öffnete
die Schranktür. Im Loch in der Tür leuchtete es weiß. Kleine Glasscherben
rieselten ihm entgegen. Kaputte Gläser. Er schob ein paar Sachen zur Seite.
Dort, hinter den Gläsern, stand ein Aschenbecher aus Aluminium. Das Projektil
hatte sich tief ins Metall gebohrt. Anders nahm den Aschenbecher aus dem
Schrank. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Vater noch mehr Schnaps in sich
hineinschüttete. Er zog eine Schublade auf und griff nach einem Küchenmesser.
Damit grub er das Projektil aus dem Metall des Aschenbechers. Die kleine Kugel
war in der Mitte fast ganz flach. Anders hielt sie in der Hand. Sie war noch
immer warm. Und seine Hände zitterten nicht. Er steckte sie in die Taschen.
    »Das Geld hat doch wohl die Bank verloren, nicht du«,
hörte er sich sagen.
    Der schwere Kopf hob sich ein wenig. Drinnen ratterten die
Gedanken. Der Gesichtsausdruck seines Vaters veränderte sich. Wie gelähmt
betrachtete Anders ihn. Wie die verschleierten Augen nach der verschwundenen
Waffe suchten.
    Anders fragte sich, warum alles, was zwischen ihm und seinem
Vater geschah, irgendwie beschmutzt wurde. Doch eigentlich kannte er die
Antwort: Weil Anders wieder einmal in die Falle getappt war, darum. Er war
Papas Schmierentheater auf den Leim gegangen und hatte sich mit hineinziehen
lassen. Sein betrunkener Vater hatte sich auf diese Weise ausreichend
Motivation aufgebaut, sich den Grund geliefert, den er brauchte, um wütend und
aggressiv zu werden:
    »Kapierst du eigentlich gar nichts, du Rotzlöffel? Sie
haben mir vertraut, ich habe über eine Milliarde Kronen verwaltet und sie in
den Sand gesetzt. Wir haben an einem einzigen Tag zweihundertfünfzig Millionen
verloren. Zweihundertfünfzig Millionen. Das sind vierzig Altersheime hier in
der Stadt, zwei oder drei Bezirkskrankenhäuser, das sind die Kosten, die zwei
Universitäten in einem Jahr verursachen. Und ich habe sie in den Sand gesetzt,
verstehst du? Ich bin fertig. Ich bin fertig, ich werde meinen Job
verlieren!«
    Er schwieg – mit einer Miene, die für einen winzigen
Augenblick von Angst gezeichnet

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