Schwarzes Gold Roman
Aktien einer Firma hältst, ist
demnach für deine Steuerlast unerheblich. Aber mit Kommanditgesellschaften
verhält sich die Sache ein wenig anders. Eine Kommanditgesellschaft wird
nicht, wie die Aktiengesellschaften, direkt veranlagt. In dem Fall sind die
Eigentümer, die Anteilseigner, die sogenannten Kommanditisten, die
Steuerzahler.«
»Na und?«, fragte Anders.
»Das Ziel – der Gedanke dahinter – ist eigentlich, die
Handelsschifffahrt wieder anzukurbeln. Die norwegische Schifffahrt steckt seit
einigen Jahren in der Krise, und so etwas zieht seine Kreise. Wenn es den
Reedern schlecht geht, geht es der Schiffsbauindustrie schlecht. Wenn die
Werften nicht laufen, kriegen die Zulieferer Schwierigkeiten. Mit anderen
Worten: Wenn es den Reedern schlecht geht, dann kriegen das alle zu spüren.
Das bedeutet schlechte Zeiten und hohe Arbeitslosigkeit. Verstehst du? Die
Arbeiterpartei versucht deshalb, die Leute mit Kommanditgesellschaften dazu zu
bringen, dass sie in die Reedereien investieren. Sie glauben, dass sie so die
Maschine wieder in Gang kriegen. Das Verlockende daran ist, dass du, wenn du
Geld in eine Kommanditgesellschaft schießt, Steuern sparen kannst. Man kann
nämlich nicht nur die eigene Anlage von seinem zu versteuernden Einkommen
abziehen, man kann außerdem seinen Anteil am Defizit und den Abschreibungen
der Firma abziehen. Alle Firmen handeln anfangs mit einem Defizit, nicht wahr?
Das geschieht, weil die Firmen ihre Waren noch nicht verkauft haben, sie haben
während der Etablierungsphase nur eine Menge Ausgaben. Reedereien haben zu
Beginn horrende Ausgaben – die Schiffe kosten Geld, die Grundkosten sind
hoch: Arbeitslöhne, Treibstoff. Deshalb ist es so attraktiv, dabei
mitzumachen: Das Steuergesetz besagt, dass man ein paar hunderttausend in eine
Kommanditgesellschaft investieren kann, und anschließend werden einem riesige
Summen von dem zu versteuernden Einkommen abgezogen. Man wird also ohne
Einkommen veranlagt und muss keine Steuern zahlen. Man ist also für einige
Jahre ein sogenannter Nullsteuerzahler. Die Leute verdienen also eine Menge
Geld, auch wenn sie nur kleine Summen in Firmen investieren.«
»Und das hat Renates Vater sich ausgedacht?« »Er ist doch
Minister. Die Begründung für eine solche Gesellschaftsform ist, dass die
Motivation, in neue Unternehmen zu investieren, die Wirtschaft ankurbelt. Es
gibt neue Arbeitsplätze. Die Regierung der Arbeiterpartei ist auf Seiten der
kleinen Leute.«
»Und was hat Erling jetzt mit diesem Kommanditdings zu
tun?«
»Er hatte eine Idee und hat einen neuen Betrieb gegründet:
SASA International. Das ist eine Kommanditgesellschaft. Er versucht, die
Mittelklasse ins Boot zu holen. Also Ärzte, Zahnärzte und andere Leute mit
schicken Autos und dicken Sparbüchern. Der Gewinn, den er verspricht, ist die
Steuerreduzierung. Aber die Behörden sind mit dieser Idee anscheinend nicht so
ganz einverstanden. Das ist alles, was ich darüber weiß.«
»Inwiefern sind sie nicht einverstanden?«
»Wie gesagt, diese Idee ist für die Schifffahrt entwickelt
worden. Die Regierung will, dass die Leute ihr Geld in Schifffahrtsaktien
anlegen, um der Handelsschifffahrt wieder auf die Beine zu helfen. Und dann
wird schon mal ein wenig Unzufriedenheit laut, wenn jemand versucht, das
Kommanditsystem auf einem ganz anderen Sektor auszunutzen. Ich glaube kaum,
dass SASA etwas mit Schiffen zu tun hat. Aber damit kenne ich mich nicht so gut
aus.«
Am nächsten Tag fuhr Anders direkt nach der Schule mit der
Straßenbahn in die Stadt. Er stieg beim Nationaltheater aus, ging hinunter zum
Rathausquartal und fand schließlich die Klingel von SASA International. Er
läutete. Nach einer Weile summte es in der Gegensprechanlage.
»Ja, bitte?«
»Hallo, mein Name ist Anders Lindeman, ich bin Journalist
…«
»Und tschüs.«
Die Leitung war tot. Kein Summer. Niemand öffnete. Er
studierte die Namensliste.
SASA International: Vegard H0ydal,
Geschäftsführer.
Dicht an dicht und Abgaswolken produzierend stauten sich die
Autos in der Rådhusgaten. Eine Rangierlok schob unendlich viele Waggons vom
Ostbahnhof zum Westbahnhof. Eine Glocke läutete über den Rathausplatz. Anders
schlenderte hinüber zum Café Grei in der Skippergata und trank dort einen
schwarzen und entsetzlich schlechten Kaffee. Sicher war dies die kleinste
Schankwirtschaft der Stadt, es roch muffig und süßlich. Unter den billigen
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