Schwarzes Gold Roman
immer gerne Geschichten erfunden, und
Seemannsgarn mit den verrücktesten Handlungsketten gesponnen. Als er aber nun
ernstlich schreiben sollte, gelang es ihm nicht. Es war die Rahmenbedingung,
die ihn bremste, der Wahrheitsanspruch. Er wusste nicht, wie er anfangen
sollte. Was er niederschrieb, war nichts als zusammengestückelte Brocken,
Schlussfolgerungen ohne logischen Aufbau und ohne roten Faden. Er hatte das
Gefühl, nur Mist zu produzieren, und fand, dass der ganze Journalistenkram
eine Scheißidee war. Er bekam gar nichts hin. Alles war Mist.
Per Ole steckte den Kopf zur Tür herein. »Was machst
du?«
»Ich versuche, einen Artikel zu schreiben.«
»Worüber?«
»SASA.«
»Schon mal was von einem Typen namens Høydal gehört?«
Anders horcht auf. »Weißt du was über ihn?«
»Gibt es da etwas zu wissen? Du musst nur die letzte Ausgabe
der
Avanse
lesen.«
Anders zog sich an und verließ das Haus. Er ging zum Kiosk
an der Eiksmarka-Haltestelle und kaufte die Zeitschrift. Er fand den Artikel
über SASA International.
Magazin Avanse, Februar 1981
Avanse enthüllt:
SASA International, die Kommanditgesellschaft, die Kauf und
Verkauf von Frachtcontainern betreibt, hat Gerüchten zufolge eine Rendite von
über fünfzig Prozent erwirtschaftet. Das Problem ist lediglich, dass das
Unternehmen keine Bilanzen vorlegt. Aus diesem Grund ist SASA International nun
aktenkundig und wird möglicherweise näher untersucht. Und wenn schon? Ein
Ermittlungsverfahren trifft niemals die Spinne im Netz – Erling Sachs. Der
Finanzmakler hat sowohl seinen Eigentümeranteil wie auch seine
Gewinnbeteiligung an SASA International verschleiert. Richtig in der Klemme
sitzt nur das offizielle Gesicht der Firma, der fleißige Dummkopf – oder
sollen wir lieber die Metapher verwenden, die schon Humphrey Bogart am liebsten
benutzte: »the fallguy« – Vegard Høydal, der nun für die gesamte Misere
den Kopf hinhält. Vermutlich wird er dieses Jahr keine Weihnachtskarte an
Erling Sachs schicken. Stattdessen wird er sich wohl eher mit Brief- und
Besuchsverbot herumschlagen. Die Polizei glaubt, Beweise für den Kauf von
Containern im Wert von mindestens 200 Millionen Kronen Kommanditgeldern zu
haben. Macht die Gewinnmarge fünfzig Prozent aus, bleiben den Eigentümern
(Sachs?) 100 Millionen verfügbarer Gelder, deren Verbleib niemand kennt. Das
Unternehmen hat nur einen Angestellten, doch Konten, Warenwerte und sonstige
Aufwendungen scheinen um so mehr zu verschlingen. Fazit: Høydal hat den
Schwarzen Peter. Sachs hat sein Geld sicher verwahrt. Wo hast du all dein Geld
versteckt?, fragte Rotkäppchen. In einem Steuerparadies, bellte der Wolf.
Liberia, Jersey, Curaçao. Komm näher, dann flüstere ich es dir ins Ohr.
Dieses Gleichnis ist selbstverständlich nicht als Warnung für diejenigen
gemeint, die in Zukunft noch mit Sachs Geschäfte machen wollen. Es ist eher
ein Tipp für die Investoren, die sich jetzt eine Erklärung für ihre Frau
einfallen lassen müssen, was aus den Ersparnissen geworden ist.
Anders ging zurück in sein Zimmer. Dort packte er die
Schreibmaschine in den Kasten und trug sie auf den Dachboden.
Als er ins Wohnzimmer kam, hatte Per Ole soeben einen
falschen Fünfziger entlarvt. Das Ganze war reiner Zufall gewesen, Per Ole
hatte aus Versehen einen Stängel der Grünpflanze, die im Wohnzimmer prangte,
abgerissen. Komischerweise stellte sich dabei heraus, dass die Pflanze keine
Wurzeln hatte. Er hielt einen grünen, steifen Draht in der Hand.
Die Mutter brach vor Lachen beinahe zusammen. Sie lag
zusammengekauert auf den Knien und schnappte nach Luft.
»Was ist los?«
»Die Pflanze ist aus Plastik!«, hechelte Liv. »Die
Wunderpflanze, die nie gegossen werden musste, ist aus Plastik!«
Hicksend lachte sie sich über den Eifer kaputt, mit dem sie
und der Rest der Familie sich viele Jahre um die Pflanze gekümmert hatten.
Per Ole begann nun ebenfalls zu kichern. Anders stand in der
Tür und sah sie an. Per Ole, der mit seinem Vater einen milden Blick wechselte
und über Liv lächelte, die völlig aufgelöst dasaß und sich das Lachen aus
den Augen wischte.
Mit zwei Schritten hatte Anders den Blumentopf erreicht. Er
trat dagegen, dass die Plastikblätter und Bimssteine nur so über den
Wohnzimmerboden flogen. Die Mutter klappte den Mund zu. Die Stille brach, als
Anders so heftig gegen den Topf trat, dass er gegen die Wand krachte.
Per Ole fuhr ihn an: »Was
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