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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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die Quintessenz des Lebens. Schönheit, Energie, Klugheit, ein liebenswertes Wesen. Sie sprechen zu hören, als sei sie gebrochen, als wolle sie aufgeben, war wie ein Schlag in den Magen.
    »Natürlich wird dein Vater es niemals gestatten«, fuhr sie mit einem traurigen Lächeln fort. »Aber ob er es gestatten wird oder nicht, irgendwann in den nächsten fünf Jahren werde ich es tun. Ich habe zwei Söhne begraben. Dich werde ich nicht begraben.« Also gab sie ihm lediglich eine Vorwarnung, gab ihm Zeit, sich vorzubereiten. Lieber Orholam, er wollte nicht einmal daran denken. Seine Mutter war seine einzige Gefährtin gewesen, seine beste Ratgeberin, die einzige Person, die auf eine Entfernung von etlichen Wegstrecken Drohungen witterte und ihn liebte, was auch immer geschah.
    »Also, was waren deine sieben Ziele? Hast du schon irgendwelche erreicht?«, fragte sie und brachte das Gespräch zurück auf sicheren Boden, obwohl sie wusste, dass er ihr ausweichen würde.
    »Ich habe gelernt zu fliegen. Es hat mich den größten Teil des vergangenen Jahres gekostet.«
    Sie sah ihn an, als könne sie ausnahmsweise einmal nicht erkennen, ob er log. »Das könnte sich als nützlich erweisen«, erwiderte sie bedächtig.
    Gavin lachte.
    »Du meinst es ernst«, sagte sie.
    »Ich werde dich irgendwann einmal zu einer Fahrt – einem Flug – mitnehmen müssen«, erwiderte Gavin. »Du wirst es lieben.«
    »Und du denkst, diese Vorstellung sei eine ausreichend gute Ablenkung, um mich davon abzubringen, den Rest deiner Ziele aus dir herauszuholen?«
    »Unbedingt«, antwortete Gavin mit gespielter Ernsthaftigkeit. »Ich habe von der Besten gelernt.«
    »Also gut«, sagte sie. »Jetzt verschwinde.« Er war schon halb zur Tür hinaus, als sie rief: »Gavin!« Sie nannte ihn jetzt Gavin, immer, selbst wenn ihre Augen ihn Dazen nannten. »Sei vorsichtig. Du weißt, wie dein Vater ist, wenn jemand nicht tut, was er will.«

50
    Kip erwachte mit einem eingeschlafenen Arm aus einem Traum von seiner Mutter, die seinen Kopf auf ihrem Schoß hielt. Es war kein Traum; es war zur Hälfte Erinnerung. Er war klein gewesen. Seine Mutter strich ihm mit den Fingern durchs Haar, die Augen rot und geschwollen. Rote Augen bedeuteten im Allgemeinen, dass sie Nebel geraucht hatte, aber an diesem Morgen roch sie nicht nach Rauch oder Alkohol. Es tut mir leid, sagt sie, es tut mir so leid. Ich habe aufgehört. Von jetzt an wird es anders sein. Ich verspreche es.
    Er öffnete ein von Schlaf und Schnodder verkrustetes Auge und stöhnte. Das ist schön, Mutter, kannst du einfach von meinem Arm runtergehen? Er rollte sich auf die Seite. Er hatte auf dem Boden geschlafen? Auf einem Teppich? Oh! Während das Blut langsam in seinen Arm zurückfloss, begann es wehzutun. Er rieb sich den Arm, bis das Gefühl zurückkehrte. Wo war er? Oh, Livs Zimmer. Der Tag hatte noch kaum begonnen.
    Kip richtete sich auf und sah eine Frau in den Raum treten. Vielleicht hatte die sich öffnende Tür ihn geweckt. Liv musste in einem anderen Zimmer geschlafen haben. Die Decken auf dem Bett waren unberührt.
    »Guten Morgen, Kip!«, sagte die Frau. Sie war dunkelhäutig, mit dichten Augenbrauen, krausem Haar und einem auffälligen goldenen Schal um den Hals. Sie war dick, ungeheuer groß, mit massigen Schultern und einem kühn gemusterten grünen Kleid, das sie über sich drapiert hatte wie ein Laken über eine Galeasse. »Es ist Morgengrauen und Zeit für deine erste Lektion. Ich bin Mistress Helel.«
    »Ihr seid meine Magistra?«, fragte Kip, der sich noch immer den schmerzenden Arm rieb.
    »Oh ja.« Sie lächelte, aber das Lächeln berührte nicht ihre Augen. »Und an die Lektion des heutigen Tages wirst du dich für den Rest deines Lebens erinnern. Steh auf, Kip.«
    Kip erhob sich. Sie ging an ihm vorbei und öffnete eine Tür zu einem kleinen Balkon vor Livs Zimmer.
    »Komm schnell«, sagte sie. »Du musst das sehen, bevor die Sonne zur Gänze über den Horizont getreten ist.«
    Mit plattgedrückten Haaren, einem Mund voller Baumwolle, übelriechendem Atem und pochendem Arm leckte Kip sich die trockenen Lippen und ging an Mistress Helel vorbei. Ihre Augen waren dunkel und eindringlich – so dunkel, dass er nicht einmal erkennen konnte, welches ihre Farbe war.
    Unheimlich. Hier erwartet man von mir, winzige Unterscheidungen in Farben zu sehen, die für die meisten Menschen unsichtbar sind, und ich konnte nicht einmal die Farbe in ihren Iris sehen. Er trat auf den Balkon aus

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