Schwarzes Prisma
um sich dem Tor zu nähern.
»Ich muss mit dem sprechen, der hier das Kommando führt«, sagte Corvan zu den Wachen und hielt sich dabei wie ein Mann, der ein klaren Ziel vor Augen hatte.
»Ähm …«, sagte einer der Wachposten verwirrt und sah seinen Kameraden an. Anscheinend wussten sie nicht, ob er den Gouverneur meinte oder den Prinzen.
»Denjenigen, der den Gouverneur in die Bucht geworfen hat«, erklärte Corvan. »Es ist ein Notfall.«
Die Wachen tauschten einen Blick. »Es gibt keinen Grund, seine Zeit nicht zu verschwenden«, sagte ein Wachposten zum anderen. »Er hat uns nicht gerade Anlass gegeben, seine Besucher genau zu überprüfen.«
Der andere ruthgarische Soldat grinste. »Wir werden Euch direkt zu ihm führen, Herr.«
Sie fragten nicht einmal nach seinem Namen. Corvan folgte ihnen, erstaunt über sein Glück. Anscheinend hatte der Prinz – vermutlich ein jüngerer Prinz, sonst hätten die Ruthgari es nicht gewagt, sich so zu benehmen – sich bei den gemeinen Soldaten nicht beliebt gemacht. Noch unglaublicher war, dass die Soldaten ihn direkt ins Ratszimmer brachten. Corvan war seit sechzehn Jahren nicht mehr dort gewesen. Einer der Wachmänner klopfte an die Tür – ein verabredetes Signal –, und die Wachen auf der anderen Seite öffneten. Er flüsterte ihnen etwas über einen Notfall zu, dass der Fremde wichtig aussehe, und trat dann hastig den Rückzug an.
Der Wachposten des Ratszimmers, ein hochgewachsener, ernster Ruthgari, führte Corvan hinein. »Name?«, fragte er leise.
Corvan trat durch die Tür. Der ruthgarische Prinz hatte sich, Corvan den Rücken zugewandt, über einen Tisch gebeugt. »Corvan Danavis«, antwortete Corvan ebenso leise. Dem Prinzen gegenüber stand ein riesiger – ebenso hochgewachsener wie muskelbepackter – ebenholzschwarzer Wachmann, der Corvan mit harten Augen musterte und den Blick auf dem Schwert an seiner Seite verweilen ließ. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Dieser Prinz hatte eindeutig Nerven, wenn er so tat, als habe er seinen eigenen Schwarzgardisten. Wenn die Chromeria das erfuhr, würde sie nicht erfreut sein.
»Corvan Danavis«, verkündete der Wachmann laut. »Er sagt, er habe eine Nachricht für Euch, ein Notfall, mein Lord Prisma.«
Es war, als treffe alle drei Männer gleichzeitig der Blitz. Der Schwarzgardist – ein echter Schwarzgardist, um Orholams willen – hatte einen halben Atemzug nach der Nennung von Corvans Namen zwei Pistolen und seine blaue Brille gezückt.
Lord Prisma stand auf und drehte sich um. Er verzog die Lippen. »General Danavis, wir haben uns viel zu lange nicht mehr gesehen.«
60
Gavin bemühte sich bewusst um eine neutrale Miene. Nach sechzehn Jahren wirkte General Danavis immer noch kräftig, gesund und scharfsinnig wie nur je. Seine Haut war dunkel gebräunt, zweifellos um zu versuchen, die Sommersprossen zu verbergen und so tyreanisch wie nur möglich auszusehen, und da war keine Spur von seinem berühmten Schnurrbart. Seine blauen Augen hatten nur einen halben roten Halo, nicht viel mehr als bei Gavins letzter Begegnung mit ihm. Die Falten, sowohl Lachfalten als auch tiefere Sorgenfalten, waren jedoch neu. Sein Blick flackerte zu Eisenfaust hinüber, dann wirkte er entsetzt.
Ein hervorragender Schauspieler, Corvan Danavis.
»Hauptmann Eisenfaust, nehmt diesem Mann bitte seine Waffen ab und tadelt die Wachen. Vorsichtig, ja?« Eisenfaust würde sofort verstehen. Die ruthgarischen Wachen durften nicht zu schroff behandelt werden, oder es könnte zu allgemeinem Zorn auf den neuen Befehlshaber führen. Doch wenn Gavin ein solch nachlässiges – oder möglicherweise unverschämtes – Verhalten ohne Tadel duldete, würden die ruthgarischen Soldaten ihn nicht respektieren. Eisenfaust würde die Männer die Furcht Orholams lehren, ohne sie so weit zu bringen, dass sie Gavin hassten.
»Ihr wünscht, dass ich Euch mit diesem Verräter allein lasse, Lord Prisma?« Eisenfaust wusste so gut wie Gavin, dass die Wachen, die Corvan in den Palast gelassen hatten, sich hastig zurückgezogen haben würden, was bedeutete, dass er ihnen folgen musste und nicht in der Nähe sein würde, wenn die Dinge außer Kontrolle gerieten.
Gavin nickte knapp.
Eisenfaust entspannte den Hammer einer Pistole und steckte sie in seinen Gürtel, ohne den Blick oder die andere Pistole von Corvan abzuwenden. Er trat vor, nahm Corvan das Schwert ab und erlaubte sich nur einen kurzen anerkennenden Blick darauf. Nachdem er das
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