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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Lord Crassos die Stufen aus blauem Luxin hinunter und ins Wasser, seinen Schrankkoffer in den Armen. Er kam ungefähr fünfzehn Schritte weit, bevor das Luxin brach und er ins Wasser fiel. Binnen Sekunden trat er um sich, um zu verhindern, dass die schwere Truhe über seinen Kopf geriet und ihn ertränkte.
    Die Tide wechselte gerade, also schwappte er lediglich hin und her, wurde weder näher ans Ufer gedrückt noch zu den anderen Piers oder zu der Wächterin und dem offenen Meer gezogen.
    Tausend Augenpaare beobachteten ihn stumm. Binnen einer Minute brauchte er nicht mehr so heftig zu treten, um zu verhindern, dass die Truhe ihn unter Wasser zog – denn die Truhe trieb nicht so hoch im Wasser. Er versuchte, trotzig zum Dock hinüberzustarren, zu Gavin, aber sein nasses Haar fiel ihm vor die Augen, und er schien nicht in der Lage zu sein, den Kopf kräftig genug zu schütteln, um die Haare loszuwerden.
    Unmittelbar bevor er unterging, schrie er etwas. Gavin konnte ihn nicht verstehen. Noch ein Tod. Er hatte Crassos nicht gemocht, hatte seine Einstellung gehasst, hatte den Typ Edelmann gehasst, den er repräsentierte, der nahm und nahm und niemals daran dachte, auch nur einen Krümel zurückzugeben. Aber er hatte soeben einen Mann getötet, hatte sich seine Familie zum Feind gemacht – und dies inmitten eines Krieges, der die Angelegenheit für ihn erledigt hätte.
    Gavin hielt Ausschau nach Luftblasen und sah keine. Crassos war zu weit hinausgetrieben. Gavin hob die Hände und ließ sie dann wieder sinken. »Orholam sei barmherzig«, verkündete er und brachte den Richterspruch damit zum Ende. Er hatte hier bereits zu viel Zeit verbracht. Er drehte sich um.
    Hinter ihm in der Bucht durchschnitt die Flosse eines Hais das Wasser wie ein Pfeil, der sein Ziel suchte.

78
    Bei Sonnenuntergang hatte Gavin das öffentlichste der Rituale des Tages beendet. Es war eine große Zurschaustellung, und er tat sein Bestes, jedes Ritual zu etwas Besonderem zu machen. Es war ein Teil des Tages, an dem er sich gut fühlen konnte. Er vollzog die Rituale fast nackt. Farben blühten und rasten um seinen Körper herum, aus seinem Körper hinaus und erweckten den Anschein, als flössen sie wieder in ihn hinein.
    Es tat ein wenig weh, nach dem Kampf des vergangenen Tages so viel Magie zu benutzen, aber bei dieser Sache gab es nichts Halbes.
    Allzu bald war es jedoch vorüber, und die Menschen zogen sich zu ihren Festen zurück. Die Feste würden die ganze Nacht hindurch dauern. Der Sonnentag ging bis zum nächsten Morgengrauen. Die Feste jener, die befreit werden würden, würden beginnen, sobald es dunkel war. Er saß in einer kleinen Kapelle in der Festung. Ihm blieben einige Minuten, in denen er beten sollte.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da er diese Minuten tatsächlich für das Gebet benutzt hatte. Jetzt nicht mehr. Wenn Orholam real war, war er beschäftigt, er schlief, es kümmerte ihn nicht, oder er schiss gerade. Zeit war anders für Orholam, so hieß es.
    Gavins Brust fühlte sich an wie zugeschnürt. Er hatte Mühe zu atmen. Die Kapelle schien zu klein, zu dunkel. Er schwitzte, einen kalten, klebrigen Schweiß. Er schloss die Augen.
    Reiß dich zusammen, Gavin. Du kannst es schaffen. Du hast es schon früher geschafft. Dies ist für sie.
    Es ist eine Lüge. Es ist alles eine Lüge.
    Es ist besser als die Alternative. Atme. Du tust es nicht für dich. Du willst dort hinausgehen und diesen Wandlern, die auf dich warten, erzählen, dass ihr ganzes Leben ein Betrug ist? Dass ihr Dienst eine Verschwendung ist? Dass Orholam ihr Opfer nicht sieht? Dass das, was sie getan haben, was sie gegeben haben, ohne Belang ist? Jeder stirbt, Gavin, beraube den Tod für diese Menschen nicht seiner Bedeutung. Lass nicht zu, dass sie sich selbst als wertlos sehen. Ihr Opfer als leer. Alles Leben als bedeutungslos.
    Es war die gleiche Debatte, die er jedes Jahr mit sich führte. Er hatte sogar einen Eimer in die Kapelle mitgenommen, zusammen mit zusätzlichem Weihrauch. In manchen Jahren übergab er sich.
    Es klopfte an der Tür der Kapelle.
    »Lord Prisma, es ist Zeit.«
    In der nächsten Nacht verband man Kip nicht die Augen. Stattdessen gaben sie ihm eine verdunkelte Brille, banden sie an seinem Hinterkopf fest und zogen sie stramm an seine Augen, bevor sie ihm die Ärmel vom Hemd abrissen. Es würde schwer sein zu wandeln, und jeder in seiner Nähe würde reichlich Vorwarnung haben.
    »Anscheinend gibt es etwas, von dem sie wollen, dass wir es

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