Schwarzes Verlangen
aufspüren.
Würde sie den kalten Zigarettenrauch und das abgestandene Parfüm riechen, das er sich nicht von der Haut hatte waschen können? Würde sie verlangen, dass er sie in Ruhe ließ?
Vermutlich.
Würde er gehorchen?
Nein.
Ich bin abscheulich. Grausam. Ein Süchtiger und eine Hure.
So war ich früher nicht, wollte er schreien.
Wie hieß die Fae? Dass er nicht einmal das wusste, ärgerte ihn. Sollte er sie dann … Püppchen nennen? Nein. Diese riesigen, bezaubernden Augen passten, aber sonst nichts. Dann also Tinkerbell. Genau. Tinkerbell war gut. Sie war so ein zierliches kleines Ding, mit diesen spitzen Ohren und dem vorwitzigen Kinn, und ständig flitzte sie von hier nach dort, immer außer Reichweite.
Laut Torins Überwachung hatte sie sich in einer Hütte irgendwo in diesem Waldgebiet eingenistet. Vor ungefähr einer Stunde hatte Kane die Hütte gefunden, aber nicht das Mädchen. Stattdessen hatte er eine frische Fährte entdeckt. Menschlich. Weiblich. Füße in Größe sechsunddreißig. Groß konnte ihr Vorsprung nicht sein, und besonders schnell vorankommen konnte sie auch nicht. So tief, wie ihre Fußspuren waren, schleppte sie ziemlich schweres Gepäck mit sich herum. Außerdem war längst die Nacht hereingebrochen.
Der Halbmond war weniger hell als sonst, wodurch eine beinahe erstickende Finsternis herrschte. Die Luft war kühl, die Brise, die von den schneebedeckten Bergkuppen herunterwehte, verscheuchte den letzten Rest Wärme. Scharf umrissen ragten die Silhouetten der Bäume in den schwarzen Himmel empor.
„Was ist dir denn für ’ne Laus über die Leber gelaufen?“, fragte William hinter ihm. „Ist doch nicht meine Schuld, dass deine feuchtfröhliche Nacht dich nicht weitergebracht hat. Du musst irgendwas falsch gemacht haben.“
Kane ignorierte ihn.
„Was macht dieses Mädchen überhaupt so wichtig für dich? Ich meine, echt jetzt.“
Er schwieg weiterhin.
„Hat sie ne Zaubermu…“
Ruckartig wirbelte Kane herum und verpasste ihm einen Kinnhaken. „Das reicht!“ Sein Blut kochte vor Wut, weißglühend, ätzend – giftig. „Lass es sein. Wag es nicht, solche Dinge zu sagen. Nicht über sie.“
William rieb sich den aufblühenden Bluterguss. „Also, warum genau jagen wir hinter ihr her?“, fragte er unbeeindruckt, als hätte ihm Kane nicht gerade eine verpasst.
Brachte diesen Krieger denn gar nichts zum Schweigen? Kane drehte sich um und marschierte weiter. „Sie hat behauptet, dass ich ihr was schulde.“ Und das war die Wahrheit … wenn auch nicht die ganze.
„Und du zahlst deine Schulden immer zurück? Was ist das denn für ’ne hirnrissige Einstellung?“
„Manche Leute würden es als ehrenhaft bezeichnen.“ Möglicherweise war es sogar die einzige Ehre, die Kane noch geblieben war.
„Manche Leute sind dumm wie Stroh.“
„Womit klar wäre, warum ich dir niemals einen Gefallen tun werde.“
„Weil du genauso dumm bist wie alle anderen? Geh doch nicht so hart mit dir ins Gericht. Ich meine, klar, solltest du jemals auf ne gute Idee kommen, müsste ich davon ausgehen, dass das Anfängerglück war – dennoch hast du so deine lichten Momente.“
Ich kann mich verhalten wie ein ruhiger, rationaler Mann. Kane stapfte durch eine Wand aus Grünzeug und gelangte auf eine Lichtung. Er blieb stehen und atmete tief ein. Hier war die Luft klar. Rein und unberührt. Außerdem irgendwie irritierend. Lieber hätte er einen Hauch von Rosmarin, Minze und vielleicht auch Rauch entdeckt, der darauf hätte schließen lassen, dass Tinkerbell noch hier war und sich an einem Feuer wärmte.
Dann könnte er ihr Lager stürmen und sie packen. Vermutlich würde sie sich gegen ihn wehren, aber darum machte er sich keine Sorgen. Ihr fehlte es an den nötigen Fertigkeiten. Und Kraft. Wahrscheinlich war sie auch erschöpft. Aber sie hat das Herz einer Kämpferin, dachte er und spürte den mittlerweile vertrauten Stich in der Brust.
„Also?“, bohrte William nach.
„Wir schlagen hier unser Lager auf.“ Nicht, weil sie seit Verlassen des Clubs ununterbrochen auf den Beinen gewesen waren und ihre Kräfte sammeln mussten – obwohl beides stimmte –, sondern weil er wusste, dass sie verfolgt wurden, und ihren Schatten nicht zu Tinkerbell führen wollte.
Dass es die Jäger waren, bezweifelte er. Anscheinend hatte es während Kanes erzwungenem Aufenthalt in der Hölle eine Schlacht im Himmelreich gegeben, Jäger gegen Herren, Titanen gegen Gesandte.
Die Herren und die
Weitere Kostenlose Bücher