Schwarzes Verlangen
dreinblickenden Reyes wiederzufinden. Der Krieger war groß und dunkelhaarig und einschüchternd. In der einen Hand hielt er eine Tüte voller Leckereien, während er Torin mit der anderen ein kleines Gemälde entgegenstreckte. „Danke, Mann. Du hast was gut bei mir. Stell einfach alles auf den Boden.“
„Was ist denn los?“, wollte Reyes wissen. „So was hast du noch nie …“ Während er sich wieder aufrichtete, blickte er sich gewohnheitsmäßig im Zimmer um. Ein Krieger behielt jederzeit seine Umgebung im Auge. Als er das Mädchen entdeckte, zuckte er zusammen. „Du hast eine Frau hier drin?“
Torins Kiefermuskeln verkrampften sich. „Es ist nicht so, wie du denkst.“
Sein Freund wandte sich ihm mit einem eindringlichen Flehen in den braunen Augen zu. „Torin, Mann. Cameo und Viola sind verschwunden. Wir können jetzt nicht auch noch eine Seuche gebrauchen.“
„Ich hab sie nicht angerührt, aber selbst wenn, müsstest du dir trotzdem keine Sorgen machen. Sie ist immun.“
„Gut, das ist gut, aber sie könnte trotzdem zum Träger werden, nicht wahr? Lass mich sie aus der Festung wegbringen, bevor noch was passiert. Sie ist …“
„… gesund. Ihr geht’s gut.“ Könnte sie tatsächlich die Seuche auf andere übertragen? Darüber hatte Cronus nichts gesagt.
„Aber sie befindet sich in Gefahr, genau in dieser …“
„Vertrau mir einfach, okay?“ Torin beugte sich vor und hob die Tüte auf.
„Warte.“ Wieder hielt Reyes ihm das Gemälde entgegen und zwang ihn, es anzunehmen.
Er nahm es. Widerwillig. Torin wollte nichts über die Zukunft erfahren. Er wollte nicht wissen, ob ihn nichts als Tod und Verdammnis erwarteten.
Mit zwei Fingern rieb Reyes sich das stopplige Kinn und erklärte: „Das hat Danika letzte Nacht gemalt, und ich dachte, das Resultat dürfte dich interessieren. Das willst du dir definitiv ansehen. In der Hinsicht kannst du mir vertrauen.“ Der Krieger machte auf dem Absatz kehrt und stapfte davon. Zweifellos, um dem Rest der Gang zu berichten, was hier vor sich ging.
Elende Klatschtanten!
Mit der Schulter schob Torin die Tür zu und wandte sich dem Mädchen zu. Wie gebannt starrte sie auf die Tüte in seiner Hand.
Wie lange war es her, dass sie etwas gegessen hatte?
Er stellte das Gemälde ab und drehte es um, sodass es zur Wand zeigte. Eines Tages würde er es sich ansehen. Aber nicht heute. Auf diesen Tag hatte er eine gefühlte Ewigkeit gewartet.
Er trat vor, hockte sich vor dem Mädchen hin und baute ein Festmahl vor ihr auf. Sie reagierte nicht gleich, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, alles mit Blicken in sich aufzunehmen. „Na los“, sagte er. „Ist alles für dich. Nimm dir, was du willst.“
Mit zitternden Fingern nahm sie eins der Sandwiches. Als sie in das Brot biss, schloss sie die Augen, und langsam begann sie zu kauen, als würde sie jede einzelne Geschmacksnuance genießen. Dann, getrieben von einer unbeherrschbaren Begierde, stürzte sie sich auf das Essen wie eine Verhungernde.
„Mach langsam“, riet er ihr. „Ich will nicht, dass du dich übergeben musst.“
Sie machte weiter, als hätte sie ihn nicht gehört, verschlang alles bis auf den letzten Krümel, bis auf den letzten Tropfen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als fasziniert zuzusehen. Und ungeheuer erzürnt. Offensichtlich hatte man sie hungern lassen.
„Wo wohnst du?“, fragte er. Was er eigentlich wissen wollte: Wer war dafürverantwortlich?
„Ich will nicht drüber reden.“
„Sag mir wenigstens, dass du über achtzehn bist.“ Sie sah so jung aus.
„Bin ich … nicht, tut mir leid. Ich bin siebzehn.“
Enttäuschung brach über ihn herein, und zwar mit aller Macht.
Dann griff sie sich mit einer Hand an den Bauch, während sich ihre unglaublich meerblauen Augen weiteten. Ihr entwich ein schmerzerfülltes Stöhnen.
Er hob eine Augenbraue. „Zu schnell zu viel?“
Entsetzt sprang sie auf und japste: „Hilfe.“
„Das Bad ist da links.“
Hastig rannte sie in den kleinen Raum, und Torin blieb ihr dicht auf den Fersen. Als sie sich über der Toilette zusammenkrümmte, tat er etwas, das er nie zuvor getan hatte, obgleich er wie auch jetzt jederzeit Handschuhe trug. Er nahm ihre Haare zusammen und hielt sie aus dem Weg. Und zwar gerade rechtzeitig, bevor sie ihren Mageninhalt wieder von sich gab.
Als sie es hinter sich hatte, ließ er sie los und trat zurück. „Warum nimmst du nicht eine Dusche? Hier drin findest du alles, was du brauchst, sogar
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