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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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Blutes auf der Rückenlehne eines Stuhls. Es wellte sich zwischen ihren Fingern, lang und blond. »Aber es hat geendet, lange bevor wir gekommen sind. All das ist uralt. Es ist nicht unsere Sorge.«
    »Ach nein? Es hängt alles miteinander zusammen.« Evenna grub die Finger in ihr zerzaustes Haar. Ein Großteil davon war aus ihrem einst so adretten Zopf herausgefallen und hing ihr in einem wilden, schwarzen Teppich um die Schultern. »Was früher passiert ist, was jetzt passiert … Wenn ich doch nur denken könnte.«
    Asharre betrachtete mit geheucheltem Interesse einen Becher, der mit einer Rose bemalt war, und versuchte, den Schmerz zu überspielen, den sie angesichts ihrer Hilflosigkeit verspürte. Sie mussten Aurandane finden. Sobald sie das Schwert hatten, konnte Evenna den maolitischen Fluch abwehren. Sie ließ die Tasse wieder auf den Tisch fallen und durchsuchte den Raum. Die Menschen hier waren nahe herangekommen, die Träume hatten ihr das verraten. Sie brauchte lediglich ihren Spuren zu folgen.
    Jemand hatte die beinlosen Stühle und das zerbrochene Glas zur Seite geschoben, eine Spur, die von der Küche zu den beiden Türen auf der linken Seite führte. »Hier entlang. Irgendwer ist hier vorbeigekommen.«
    »Woran könnt Ihr das erkennen? Ich sehe nichts.«
    Wie könnt Ihr denn nichts sehen?, hätte Asharre gern gefragt. So dunkel war es nicht. Die Fenster des Speisesaals waren trüb von Spinnweben und totem Laub, aber durch die Küche drang genug Licht herein, dass man jede Einzelheit erkennen konnte. Es war schwerer gewesen, draußen im grellen Tageslicht etwas zu sehen.
    Vielleicht war ein Zauber daran schuld. Dass Maol diesen Ort im Griff hielt, behinderte Evenna offensichtlich; es bedurfte nicht viel Fantasie, um auf die Idee zu kommen, dass der Fluch auch sie blenden könnte.
    Asharre unterdrückte ihre Sorge. Sie mussten bald etwas finden. Sie konnte keine blinde Frau durch dieses Dreckloch führen. Also überließ sie die Geister des Speisesaals ihrem ruinierten Festmahl und wandte sich der nächsten Tür zu.
    Diese führte in einen kleinen, mit zerbrochenen Möbelstücken übersäten Raum. Die Wände zeigten Narben von Schwerthieben, das Intarsienparkett war abgetreten und blutverschmiert. Ein enthauptetes Skelett in einem rot gesäumten Wams hockte in sich zusammengesackt neben der gegenüberliegenden Tür, den von langen Haaren bedeckten Schädel auf dem Schoß und einen Pfeil zwischen den Rippen. Die Zähne des Totenschädels waren spitz zugefeilt, und Asharre spürte, wie sein Blick ihr folgte, als sie vorbeiging.
    Du wirst hier sterben, wisperte der Totenschädel so leise, dass nur Asharre ihn hören konnte. Töricht, herzukommen. Kleine Atmerin, kleine Bluterin. Du wirst hier sterben, kleine Närrin, und ich werde deine Knochen essen. Essen, und wieder leben. Jaaa … Die Worte verklangen in einem geflüsterten Lachen, und die feinen Härchen in Asharres Nacken richteten sich auf.
    Sie zog ihren Caractan und zerschmetterte den Schädel an Ort und Stelle. Die vergilbten Knochen von Schädel und Rückgrat barsten mühelos, pulverisiert zwischen Asharres Stahl und der von Schwerterhieben vernarbten Wand. Das Skelett kippte zur Seite, und sein gewispertes Lachen erstarb.
    Evenna starrte sie an und ließ das Stuhlbein fallen, das sie als improvisierten Knüppel aufgehoben hatte. Sie bückte sich und griff langsam danach, als bereite die Bewegung ihr Schmerzen. »Warum habt Ihr das getan?«
    »Es hat mir nicht gefallen, wie der Schädel mich angesehen hat.« Asharre wischte den Knochenstaub von der Klinge und steckte sie weg. Vielleicht hatte sie sich das Gelächter nur eingebildet; vielleicht nicht. So oder so, der Schädel war verschwunden.
    Sie ging an dem Skelett vorbei in eine lange Galerie, die auf der einen Seite mit Portraits geschmückt war und mit toten Bäumen in Steinschalen auf der anderen. Hohe, schlanke Fenster zwischen den Schalen ließen ein staubiges Licht herein. Die Kämpfe in Schattenfall hatten anscheinend mit dem reißzahnbewehrten Verteidiger im letzten Raum aufgehört, aber das Gleiche galt nicht für die Gewalt.
    Jedes einzelne der Rosewayn-Porträts hatte man aufgeschlitzt. Knisternd schälte sich die Ölfarbe von den rissigen Gesichtern auf der Leinwand ab. Mehrere waren herausgerissen und zertrampelt worden; die verbliebenen hingen schief, die Züge unkenntlich durch den Staub und die Beschädigung. Doch ihre Blicke folgten ihr, wie es die des reißzahnbewährten

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