Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
Vom Netzwerk:
Falcien hatte nicht gelogen: Der Solaros war vor ihr diesem Pfad gefolgt. Sie zog widerstrebend die Hand zurück. »Diese Haustiere müssen aus Cardental stammen, also wissen wir, dass die Stadtbewohner das Haus erreicht haben. Sie können nicht sehr weit entfernt sein.«
    »Ja. Ja, das ist wahr. Gebt mir … gebt mir einfach einen Moment Zeit, bitte.« Evanna sackte gegen eine Theke und rieb sich mit dem freien Handballen die Augen. »Maols Anwesenheit ist hier so stark . Der Tempel in Cardental war nichts im Vergleich dazu.« Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande, obwohl sie die Hand nicht von den Augen nahm. »Ich fühle mich … als hätte ich mir den Bauch mit Pflaumen voller Würmer vollgeschlagen, und ich bin von Kopf bis Fuß in einen Bleipanzer gekleidet; und ich muss in einem Hagelsturm einen Hügel hinaufgehen, während der Wind des tiefsten Winters mich über die Letzte Brücke fegen möchte.«
    Asharre schluckte den Kloß in ihrer Kehle herunter. Sie wusste, was Evenna meinte. Während des Marschs hinauf nach Schattenfall waren ihre Gedanken tagelang trübe und verschwommen gewesen. Wenn sie sich auf etwas konzentrieren wollte, kam das dem Versuch gleich, eine zerschmetterte Vase ohne Leim zusammenzusetzen: Sie konnte zwei Stücke zusammenbringen, manchmal drei, aber danach fiel das Ganze wieder zu einem bedeutungslosen Wirrwarr auseinander. Im Haus fühlte sie sich ein wenig klarer im Kopf, aber der Erleuchteten schien es schlechter zu gehen. Also zwang sich Asharre, so unbeschwert wie möglich zu klingen. »Ist das alles? Dann ist es fast nichts.«
    »Fast.« Evennas Lächeln zerbrach. Sie ließ die Hand schlaff herabfallen. In dem gebrochenen Licht der Küche stand ihr die Erschöpfung deutlich ins Gesicht geschrieben. Müdigkeit bescherte ihr purpurfarbene und schwarze Schatten unter den Augen; neue Linien waren ins papierne Weiß ihrer Haut gemeißelt. Sie sah aus, als sei sie nur einen Schritt vom Tod entfernt. »Ich werde schon zurechtkommen. Gehen wir!«
    Die Sigrir zögerte. »Wir müssen jetzt nicht gehen. Morgen früh seid Ihr vielleicht wieder besser bei Kräften …«
    »Und? Es wird sich nichts ändern.« Evenna schaute sich zitternd um. »Nichts kann sich ändern, bis wir den Zugriff des Wahnsinnigen Gottes auf diesen Ort gebrochen haben. Ein Aufschub macht mich nur schwächer und ihn stärker. Wir müssen weitermachen.«
    »Wie Ihr wollt«, pflichtete Asharre ihr bei und drängte das eigene Unbehagen beiseite. Sie zog die knarrende Tür auf und ging voran, die Hand nie weit entfernt von ihrem Schwert.
    Zersplittertes Glas glitzerte auf der Schwelle der Tür. Asharre trat darüber hinweg in eine hohe Speisehalle. Ein großer Eichentisch reichte von einem Ende zum anderen, die Beine zu den sich aufbäumender Schlangen und mit Rosen umkränzten Rädern der Rosewayns geschnitzt. Die Schuppen der Schlangen und die Blütenblätter der Rosen waren vergoldet, obwohl das meiste davon abgeblättert war, sodass es aussah, als sei eine Armee von Mäusen über das Holz hergefallen.
    Das letzte Festmahl in dieser Halle hatte in einem Gemetzel geendet. Die Kronleuchter hatten schwere Schläge abbekommen und waren bloß noch leere Gerippe; Blut und Staub machten die kristallenen Bruchstücke blind, die sich noch an ihre lockeren Reifen klammerten. Nicht ein einziger Stuhl stand aufrecht am Tisch. Die meisten lagen umgestürzt da, als seien die Menschen, die darauf gesessen hatten, in plötzlicher Erregung aufgesprungen; bei anderen waren die Beine zersplittert. Der Tisch sah aus wie mit Blut getränkt, und die Wände waren nicht sauberer.
    Weitere eingetrocknete braune Krusten bedeckten den Rand der Gläser und Schalen auf dem Tisch – was jedoch, so dachte Asharre beklommen, nicht wie zufällige Spritzer aussah. Sie hob eins der Gläser hoch und schnupperte daran, roch aber bloß Staub und Moder.
    Knochen lagen auf einem angelaufenen silbernen Tablett. Kleine Knochen. Wie von einem Kind. Das andere Geschirr war verschwunden, aber die Plünderer hatten es nicht gewagt, diesen »Braten« anzurühren und das Tablett mitzunehmen. Sie sah die zarten, von staubigen Netzen überzogenen Fächer der Finger, verschlossen hinter der Wölbung eines vom Feuer gebräunten Rückgrats, und wandte schnell den Blick ab.
    »Das letzte Festmahl der Rosewayns«, flüsterte Evenna. »Ich habe das bloß für eine Geschichte gehalten.«
    »Nein«, erwiderte Asharre. Sie zupfte ein Haar aus einem Streifen getrockneten

Weitere Kostenlose Bücher