Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
und Gestalt eines Mannes, obwohl sein Kopf und seine Hände viel zu groß waren und die Haut über seinem Schädel Schwimmhäute hatte wie die Füße eines Froschs. Eiterbläschen bedeckten die Bereiche zwischen seinen Rippen, und sein Mund war ein breiter, grinsender Schlitz, der von Ohr zu Ohr reichte.
Sein ganzer Körper bestand ebenso wie die Körper aller anderen Schattenkreaturen, die tot oder sterbend im Raum lagen, aus nassem schwarzem Sand. Noch während die Frauen sie anstarrten, trockneten die Leiber aus und lösten sich in schwarze Sandkörnchen auf. Nur Augenblicke nach Evennas Zauber war von ihren Angreifern nichts mehr übrig. Einzig die Kratzer und Bisse an Asharres Körper bewiesen, dass der Angriff wirklich gewesen war.
»Ihr seid verletzt«, sagte Evenna.
»Nicht schwer.« Asharre steckte ihr Schwert in die Scheide und wischte sich die Hände ab. Dann band sie Stoffstreifen um die schlimmsten Kratzer und ihre Handgelenke, damit ihr das Blut nicht über die Hände floss. Dazu musste sie mehrmals ansetzen, so heftig zitterten ihre Hände. »Diese Wunden sind nichts. Spart Eure Magie auf.«
Es wäre besser gewesen, die Wunden auszuwaschen, aber dafür hatten sie keine Zeit. Sie würde in den nächsten paar Stunden keine Blutvergiftung bekommen. Asharre schulterte wieder ihr Bündel. »Was habt Ihr getan?«
»Ich weiß es nicht.« Evenna befingerte ihr Medaillon und betrachtete beklommen die Porträts. »So hat meine Göttin mein Gebet erhört. Es war nichts, das ich mit meinem Willen erreicht habe.«
»Dann vertraut ihrer Weisheit«, gab Asharre zurück. »Vielleicht war es kein Eidbruch. Maole leben nicht, und diese Dinger aus Schmutz und Schatten hatten weniger Leben als Maole. Wenn sie nicht lebendig waren, ist es keine Sünde, sie zerstört zu haben.«
»Was waren sie?«
Die Sigrir zuckte die Achseln und heuchelte eine Unbeschwertheit, die sie nicht empfand. »Tot.«
»Ich nehme an, das allein zählt.« Evenna folgte Asharre auf ihrem Erkundungsgang. Die Galerie endete in einem weiteren Raum voller Trümmer. Eine Wendeltreppe führte in die modrige Düsternis, die Stufen von jahrzehntelanger Benutzung in der Mitte grau abgetreten.
Die Treppe wirkte weniger staubig, und Asharre hatte den Eindruck, dass sie in jüngster Zeit benutzt worden war, daher ging sie darauf zu. Als sie hinaufstieg, entdeckte sie einen Dienstbotenflur. Die Räume dort waren sauberer als diejenigen unten: ihre Böden waren gefegt, ihre Fenster geputzt, Nachttöpfe und Waschbecken gereinigt, damit die Bewohner ihren Bedürfnissen nachkommen konnten. Aber sie waren genauso leer.
Ein Geruch nach Lavendel und Zitronenbalsam hing in einem der Räume, als wären die Duftkissen einer guten Hausfrau hier verteilt. Ein anderer enthielt eine Kiste mit Spielzeugen und eine Leine aus rotem und blauem Leder, geflochten von einer kindlichen Hand für einen der kleinen Hunde, die ausgeweidet in der Küche lagen. Alle Räume waren peinlichst in Ordnung gehalten. Allein das Mobiliar war etwas schäbig, Zeichen dafür, dass jemand dort gelebt hatte.
Für sie gab es nichts in diesen Räumen. Asharre wusste es, noch bevor sie die Türen öffnete. Sie fühlten sich falsch an: abgestandene Luft, leer, preisgegeben staub- und fruchtloser Hoffnung auf Sicherheit.
Aber was sie suchte, war in der Nähe. Dessen war sie gewiss: Aurandane war nicht weit entfernt. Die Luft war schwer von seiner Gegenwart. Magie streifte knisternd ihre Haut, wie das Kribbeln bei einem bevorstehenden Unwetter an einem heißen, trockenen Tag. Der Nebel, der seit Tagen ihre Gedanken trübte, hob sich, und an seine Stelle trat eine diamantene Klarheit, die Asharre noch nie zuvor verspürt hatte. Dies war das Ziel ihrer Mission.
Das Gefühl wurde stärker, als sie das Ende des Flurs erreichte. Sie legte eine Hand flach auf die letzte Tür. Ein schwacher Hauch von Aas kam von der anderen Seite, aber Asharre bemerkte ihn kaum. Das Schwert war hier. Sie spürte seine Macht, die durch das dünne, graue Holz pulsierte. Zitternd vor Erwartung drückte sie die Tür auf.
Der Solaros lag im Zustand der Verwesung auf einem Bett. Seine Hände hatte er auf der Brust gefaltet, und eine Kette mit einem Sonnenmedaillon war mit seinen wächsernen Finger verwoben. Ungepflegte Bartstoppeln bedeckten seine Wangen; ein Geäst aus grünen Adern zog sich an seinem Hals hinab und verschwand im Kragen seiner steifen gelben Roben. Die Kälte hatte die Verwesung des Leichnams verlangsamt,
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