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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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aber seine Brust war widerlich aufgebläht. Zwei kleine Flaschen aus dunklem Glas lagen am Fußende seines Bettes, beide leer. Am Rand der einen Flasche zeigten sich die letzten Reste ihres tödlichen Inhalts.
    Sie entdeckte kein Schwert. Eine Welle der Wut, heiß und unerwartet, stieg in ihrer Brust auf und trieb sie dazu, ihre von Blasen überzogene Hand zur Faust zu ballen. Aurandane war hier. Irgendwo. Es musste hier sein.
    Ein Fetzen Papier lag unter dem Medaillon des Solaros. Asharre hatte es in ihrer Hast und Enttäuschung übersehen, aber Evenna zog es vorsichtig aus den Fingern des Mannes. Die Schriftzüge waren größer und unbeholfener als die in seinem Tagebuch, und die Schrift wanderte nach rechts geneigt die Seite hinunter, als sei seine Hand mit jedem Buchstaben schwerer geworden.
    »Dort steht nur: ›Vergebt mir. Hoffnung war Köder der Falle‹«, sagte Evenna. Sie legte die Notiz weg und betrachtete die Lippen des Toten, dann die leeren Flaschen an seinem Bett. »Er wollte vielleicht noch etwas anderes schreiben, aber das Gift war schneller. Zwei Flaschen mit Traumblumenextrakt. Es überrascht mich, dass er lange genug bei Bewusstsein geblieben ist, auch noch die zweite zu leeren.«
    »Er hatte das Schwert«, sagte Asharre. Sie riss die Kommode am Fußende seines Bettes auf, doch sie enthielt bloß einen Haufen alter Kleider – mottenzerfressen und zerfallend, aber nicht die Gewänder eines Priesters – sowie eine weitere Handvoll klirrender Giftflaschen.
    »Er ist wahnsinnig geblieben, und er ist gestorben.« Evenna rieb sich die Schläfen. Der Schmerz zeichnete tiefe Linien auf ihre Stirn. »Was bedeutet das? Die Antwort ist da, direkt vor mir, aber ich kann nicht denken. Er ist nach Schattenfall gekommen. Er hat das Schwert gefunden. Dann hat er … genug Traumblumenextrakt getrunken, das einen Ochsen töten würde, eine unsinnige Notiz verfasst und ist gestorben? Warum?«
    »Weil er schwach war.« Asharre gab die Kommode auf und kehrte in die Mitte des Raums zurück. Ihre Heftigkeit schien Evenna zu erschrecken, aber die Sigrir tat so, als bemerke sie es nicht. Hoffnung haben, eine Waffe haben und den Tod anstelle des Kampfs wählen … Das war reine, verächtliche Schwäche. Einen solchen Fehler würde sie nicht begehen.
    Aber warum brauchen wir eine Waffe, wenn wir wegen eines Heilmittels hergekommen sind?
    Sie tat die Frage ab, sobald sie ihr in den Sinn kam. Natürlich brauchten sie eine Waffe. Der Angriff in der Galerie hatte das bewiesen. Dieser Ort war verseucht von Ungeheuern und Dämonen, und Aurandane würde sie besiegen. Dann konnten sie ein Heilmittel suchen, falls nicht das Schwert selbst schon eines war.
    In der Mitte des Raumes stehend streckte Asharre die Hände zur Seite, atmete tief ein und konzentrierte ihre Gedanken, wie es der Traum-Falcien sie gelehrt hatte. Es fühlte sich lächerlich an, aber er hatte geschworen, dass es funktionieren würde, und sie hatte sonst nichts, was sie versuchen konnte. Die Sigrir konzentrierte sich auf ihr Ziel, ließ ihr Bewusstsein ausströmen und schickte es mit einem Befehl auf die Suche: Finde das Schwert!
    Sie öffnete die Augen. Ihr Blick wanderte von dem Bett und dem Leichnam nach unten, vorbei an den Kleidern, die sie auf den Boden geworfen hatte, zu den Bodendielen selbst. Die Risse zwischen den Brettern faszinierten sie. Darin lag eine geheime Bedeutung, dieses Gitter aus schiefen schwarzen Linien zwischen den Brettern hatte einen Sinn. Vor ihren Augen kräuselte sich die Dunkelheit dazwischen, floss aus den Ritzen hervor und breitete sich in einer trägen Spirale über den Boden aus.
    »Was starrt Ihr da an?«, fragte Evenna.
    Asharre gab keine Antwort. Ihre Augen brannten von der Anstrengung, sie so lange geöffnet zu halten, aber sie musste wissen, welche Form sich ergeben würde, und wenn sie blinzelte, würde sie alles verderben. Sie durfte nicht blinzeln; sie wagte nicht zu sprechen. Sie musste die Magie festhalten.
    Die wabernden Linien, die Risse im Boden gewesen waren, krochen die Wand hinauf und zogen sich daran entlang wie kletternde Raupen. Sie dehnten sich aus, tropften herab und wurden zu einem Symbol, das Asharre kannte: Das Sonnenzeichen, das Falcien ihr gezeigt hatte, gezeichnet in nassen schwarzen Schatten. Vier über vier. Das Zeichen der Erlösung.
    »Es ist in der Mauer«, erklärte sie. Die Vision verschwand, sobald sie sich bewegte, aber Asharre hatte, was sie brauchte. Sie tastete die Wand ab, wo sie das

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