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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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gleiche Wirkung. Ihre verkürzten Sonnenuntergangsgebete – verkürzt auf zwei gesungene Zeilen, wie Sonnenritter es auf dem Schlachtfeld taten – hatten ihre Erschöpfung ein wenig gemildert, aber sie schwankte sichtlich, als sich die Dämmerung übers Land senkte. Sie benutzte das Schwert wie einen Gehstock und stützte sich schwer auf die Waffe.
    Aber es wird ihr Kraft verleihen. Es muss.
    Auf der windgeschützten Seite des Turms bedeckte Asche den Boden. Frühlingsregen hatte den feineren Staub weggewaschen und einen Hügel verkohlter Knochenreste zurückgelassen. Blaue Stängel von Morduk ossain, halb verborgen in der Abenddämmerung, umgaben den Aschehaufen. Sie reichten nicht ganz bis zu den Mauern, und Asharre ließ sich dadurch beruhigen; vielleicht bedeutete die Tatsache, dass Maols Unkraut es nicht berühren konnte, dass Celestia ihr Heiligtum noch immer beschützte.
    So oder so waren sie jedoch eine Verpflichtung eingegangen. Asharre sandte ein stummes Gebet an die Göttin ihrer Schwester und ein anderes an die alten Geister ihres Clans. Als sie sich umdrehte, sah sie Evenna ganz dicht hinter sich. Dann zog sie die Tür auf, die Grünspan und Rost bedeckten, und trat in den Turm.
    Schwarze Stille umgab sie. Schwefelgestank sowie der säuerliche, rostige Geruch alten Bluts lagen in der Luft. Die Zeit und gewaltige Explosionen hatten die oberen Stockwerke einstürzen lassen; rings umher lagen Balken und Bretter, die dem Mondlicht den Weg versperrten, sodass es bloß hier und da wie Finger aus silbernem Licht hereinfiel.
    Die Treppe war eine Ruine aus verwobenem Eisen und gesplittertem Holz, und die Fußböden zeigten mehr Löcher als unversehrte Stellen. Nicht einmal eine Maus hätte sich auf diesen schwankenden Balken halten können. Darunter klaffte eine tiefe Grube.
    Es war ein Tümpel aus tieferer Dunkelheit, der eher aus der Erde gesprengt als herausgegraben war. Sie erkannte Metallteile, die in die Mauern eingelassen waren, eine behelfsmäßige Wendeltreppe aus Brettern, die in seine Tiefen hinabführte, und nichts sonst: Nur den endlosen Riss.
    »Unten«, sagte sie zu Evenna, als sie zu der offenen Tür zurückkehrte. Die saubere Luft des Abends schmeckte süßer als Wein. »Sie sind nach unten gegangen.«
    »Da drin ist es pechschwarz«, entgegnete die Erleuchtete zweifelnd und spähte in die Ruinen.
    »Zündet eine Fackel an!«, schlug Asharre vor, obwohl sie bei ihren eigenen Worten ein Hauch des Unbehagens beschlich. Eine Fackel würde jedem dort unten, Mensch oder Maelgloth, zeigen, dass sie auf dem Weg waren.
    Aber sie konnten kaum blind in die Tiefe gehen, und die Geräusche würden ohnehin jeden Versuch vereiteln, sich heimlich zu nähern. Sie schüttelte ihre Zweifel ab, und Evenna holte ihre Laterne hervor und schlug Funken. Ungeschickt mit Laterne und Schwert hantierend, folgte sie Asharre zurück in den Turm.
    Die Laterne zeigte noch deutlicher, dass keine Schaufel die Grube ausgehoben hatte. Asharre strich mit den Fingern über die kantige Erde, die mit Metallfragmenten durchsetzt war. Stahl kam am häufigsten vor, aber sie sah auch Messing, geschmolzenes Zinn und vom Rost orangefarben verfärbtes Eisen. Die meisten Splitter sahen aus wie zerschmetterte Kettenglieder, aber nicht alle. Einige mochten von einem Brustpanzer stammen … oder von Töpfen, verbogenen Messern oder gar von zertrümmerten Statuen.
    Auch Knochenteile befanden sich darunter, keiner größer als ihr kleiner Finger. Hier und da sah sie zerbeulte Fragmente von Rüstungen; in den Beulen steckten Knochenstückchen, wie von einer großen, explosiven Kraft hineingetrieben. Das Metall war überzogen von einer Kruste aus getrocknetem Blut.
    Falcien. Bei dieser Erkenntnis ließ sie entsetzt die Hand sinken. Ein Tod wie seiner – wenn das Opfer einen Kettenpanzer trug, wenn es ineinander verschlungene Ketten trug – konnte für diese Schichten in den Wänden verantwortlich sein. Hundert davon hätten eine klaffende Grube bilden können.
    Würden hundert genügen? Wie viele Tode würde eine solche Aushöhlung verlangen? Asharre konnte es sich nicht vorstellen; sie wollte es sich nicht vorstellen. Sie wandte den Blick ab. Evenna blickte an ihr vorbei die Treppe hinab, das Gesicht abgehärmt, die Stirn schweißbedeckt.
    »Das ist kein Heiligtum«, flüsterte die jüngere Frau. »Das ist das Herz der Verderbnis. Die Strahlende möge mich retten, es ist so stark.«
    »Könnt Ihr es tun?«, fragte Asharre. »Gehen wir

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