Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Sonnenzeichen gesehen hatte, und als sich eins der Bretter löste, zog sie es heraus.
Aurandane wartete in der Wandnische. Ein Netz aus zerrissenen Schnüren umgab das Schwert, das zudem in eine alte gelbe Robe gewickelt war, aber Asharre erkannte die lange, schlanke Silhouette. Sie griff hinein, schob die Schnüre beiseite und erstarrte zu spät, als vor ihr die Erinnerung an Falciens Tod aufblitzte. Auch da hatte es Schnüre gegeben, die gerissen waren, sich gelöst hatten und dann den schwarzen Tod brachten.
Aber die Schnüre hier waren bereits zerrissen, und sie schleuderten ihr keine Bolzen entgegen. Sie hatten keine, die sie hätten schleudern können. Beim genaueren Hinsehen erkannte Asharre, dass die Schnüre tatsächlich Teil einer Falle waren … Aber sie waren mit Sonnenmedaillons auf zurückgebogenen Stöcken verbunden, nicht mit Armbrüsten, und Stöcke und Schnüre waren zerstört. Hatten sich zersetzt. Die Stöcke waren t rocken und brüchig, die Schnüre braun und ausgefranst, obwoh l sie nur wenige Tage alt sein konnten, wenn der Solaros sie dort angebracht hatte. Mehr als nur die Zeit hat sie berührt.
Doch warum sollte sie das überraschen? Magie hatte sie zu Aurandane geführt; Magie hatte ihr den Weg freigemacht. Sie schloss die Hand um den Stahl, zog ihn heraus und schüttelte ihn aus der Robe, in die er gewickelt war.
Aurandane war wunderschön. Es war schwerer, als sie erwartet hatte, mehr wie ihr eigener Caractan und nicht wie die Langschwerter, welche die Sonnenritter bevorzugten. Um Griff und Scheide wand sich eine Schrift in einer ihr unbekannten Sprache: eingravierte Gebete. Die Klinge hatte eine scharfe Schneide aus einem helleren Metall, weiß wie neues Silber, und ungezeichnet bis auf eine dünne Hohlkehle, die über zwei Drittel seiner Länge verlief. Ein himmelblauer Spinell, winzig wie ein Tränentropfen, glitzerte auf seinem Knauf. Spuren von Lavendelblau und dunklem Rosarot funkelten in seinen Facetten, die Farbe des Himmels beim ersten Kuss der Morgendämmerung.
»Nehmt es«, sagte die Sigrir zu Evenna und hielt ihr das Schwert auf beiden Händen hin.
Die Erleuchtete wich zurück. »Warum ich?«
»Es ist Celestias Schöpfung. Ihr seid ihre Dienerin. Ihr solltet es nehmen.« Und ich will es nicht haben. Dieser kleine, namenlose Zauber, mit dessen Hilfe sie Aurandane gefunden hatte, bereitete ihr erbärmliche Kopfschmerzen; die Blasen auf ihrer Handfläche pulsierten, als wären sie mit flüssigem Feuer gefüllt. Wenn das der Preis für Magie war, wollte sie nicht mehr davon.
»Es ist ein Schwert. Ihr solltet es benutzen.«
»Ich habe ein Schwert. Dieses ist Eurer Strahlenden geweiht. Es ist die Waffe, die zu finden wir hergekommen sind, der Schlüssel, um Cardentals Fluch zu bannen. Werdet Ihr es nehmen oder nicht?«
»Ich … ich werde es nehmen«, antwortete Evenna. Zögernd hob sie das Schwert hoch.
Sobald ihr die gesegnete Klinge abgenommen war, ließ der Schmerz in Asharres blasenbedeckter Hand nach. Verstohlen streckte sie die Finger und gab sich Mühe, ihre Erleichterung zu verbergen. »Gut. Dann brauchen wir nur die verschwundenen Städter zu finden, damit wir sie heilen können. Wir wissen, dass sie nicht hier sind. Wohin könnten sie gegangen sein?«
»Sie könnten fortgegangen sein, um zu beten«, entgegnete Evenna. »Zum letzten, besten Heiligtum unseres Glaubens.« Die dunkelhaarige Frau zeigte zu den winzigen Fenstern hinaus auf den Schrein im mittleren Innenhof.
Dort erhob sich Schattenfalls Turm, dessen grünspanbedeckte Speerspitze sich scharf über einem Ring aus wolkenweißen Kirschbäumen abzeichnete. Celestianische Sonnenzeichen schimmerten als vergoldetes Band rund um die Turmspitze, leuchtend trotz der Jahrhunderte, die sie gesehen hatten. Pfade aus zerborstenen Marmorplatten, kaum sichtbar im wild wuchernden Unkraut, schlängelten sich durch die vernachlässigten Gärten und liefen wie die Fäden eines geisterhaften Netzes beim Turm zusammen.
Als die beiden Frauen ihn erreichten, färbte die Abenddämmerung die Kirschblüten blau. Ein kühler Wind fuhr seufzend durch die Farne, und Asharres Arme überzogen sich mit einer Gänsehaut.
Die Wunden, welche die Staubkreaturen ihr in der Galerie zugefügt hatten, brannten und schwollen unter ihren Verbänden an, aber Asharre ignorierte den Schmerz. Evenna konnte keine Magie für sie erübrigen. Die Gebete in der Galerie hatten sie erschöpft, und das Führen von Aurandane hatte anscheinend die
Weitere Kostenlose Bücher