Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
ein Kind, das gerade erst gelernt hatte, einen Ton zu pfeifen, und nun gebeten wurde, einen ganzen Kirchenchor zu ersetzen. Diese Zauber waren zu komplizierten Zöpfen verflochten, die in die Irre führen sollten; selbst mithilfe der Gottessicht wusste Kelland nicht so genau, was sie taten, geschweige denn, wie er sie reparieren konnte.
Aber Maoliten waren keine klugen Widersacher, und er brauchte sie nur für kurze Zeit aufzuhalten. Er legte den Kopf an die Wand.
Ein gedämpfter Schimmer folgte seiner Berührung. Kelland zeichnete die Formen der Zauber, die er kannte, und beschwor Licht, das blenden, Feuer, das verbrennen, und Reinheit, das die Bande zerstören sollte, die Tote in ihrem Bann hielten. Fragmente der alten Magie flossen auf seine Inschriften zu; sie vermischten sich mit den neueren Zeichen, dann breiteten sie sich nach außen hin aus und verwoben ihre eigenen komplizierten Strukturen zu einem glänzende Netz, dem er nicht folgen konnte. Die Siegel hingen weiß auf dem staubigen Stein, flammten einen Herzschlag lang auf, nachdem seine Hand darüber hinweggestrichen war, und erloschen dann zu Asche und stummer Schwärze.
Malentir beobachtete sein Werk aufmerksam. »Interessant«, sagte er, als Kelland fertig war. Er führte seine Überlegungen nicht näher aus, machte sich jedoch daran, seine eigenen Siegel hinzuzufügen. Allerdings zeichnete er sie mit seinem Elfenbeinstift und nicht mit der Hand. Schneeweiße Runen tauchten neben dem goldenen Gitterwerk auf und verbargen sich unter den Zaubern des Celestianers wie Dornen, die sich unter leuchtende Blätter schmiegten. Auch diese verblassten, bis Kelland sie kaum noch vom Stein unterscheiden konnte.
Als der Dornenlord fertig war, zitterte Kelland aufgrund der Anspannung, die Gottessicht so lange aufrechtzuerhalten. Schweiß befeuchtete seine Zöpfe und die Polsterung unter seiner Rüstung. Es war ein süßer Schmerz, weniger beängstigend als der entfesselte Zorn des Sonnenfeuers; es war gerade genug, um ihm seine sterblichen Grenzen bewusst zu machen, während es ihn gleichzeitig mit der Macht des Göttlichen inspirierte. Aber er konnte die Gottessicht nicht ewig bestehen lassen. Das war eine dieser Grenzen der Sterblichkeit, unausweichlich wie die klumpige Erde seines Körpers: Selbst ein schwacher Zauber würde sich durch ihn hindurchbrennen, wenn er die Magie zu lange festhielt.
In seinen Gliedern kribbelte es, stach es wie mit Nadeln. Sein Kopf schien schwerelos zu sein, eingehüllt in Watte. Er war dem Zusammenbruch sehr nahe.
»Bringt uns zurück nach Cardental«, sagte er zu dem Dorn.
Malentir grinste. »Ihr wollt nicht durch das Perethil zurückkehren?«
»Nein.« Er sah Bitharn nicht an. Jede Andeutung, dass er versuchte, sie zu schonen, würde sie als Beleidigung auffassen. Tapfer bis zur Torheit war sie … obwohl er selbst kaum von sich behaupten konnte, von diesem Makel frei zu sein. »Wir werden es benutzen müssen, um nach Schattenfall zu gelangen, wenn ich mich nicht irre.« Das war etwas, das die Sonnenritter nach Thelyandfurt erraten hatten: Die Dornen konnten durch Schatten wandeln, aber nur diejenigen, die sie kannten. Malentir hatte nie einen Blick auf Schattenfall geworfen, hatte nie gelernt, wie Dunkelheit dessen Wände wob. Um Schattenfall zu erreichen, würden sie durch das Perethil gehen müssen.
»Ihr irrt Euch nicht.«
»Dann ist ein weiteres Mal genug. Bringt uns zu dem Bauernhaus zurück.«
»Ich werde es wohl tun, da Ihr so freundlich darum bittet. Kommt!«
Kelland gab den letzten Schimmer seines Zaubers frei, erleichtert, ihn loszulassen, und gleichzeitig bekümmert über den Verlust, während Malentir seinen eigenen Zauber begann. Die Dunkelheit Duradh Mals breitete sich um sie aus, schwarz und gewaltig und widerhallend von den Gebeten des Kliastaners. In der Dunkelheit drückte Bitharn sich enger an Kelland und legte ihren Arm an seinen. Sie bot Stärke an, sie suchte sie nicht. Ein Bollwerk gegen die Nacht.
»Danke«, flüsterte er und lehnte sich an sie. Er wusste nicht, ob sie es gehört hatte. Ein kalter Wind erhob sich und riss die Worte fort. Das Gebet des Dorns war beinahe vollendet.
Die Kälte wurde intensiver und zog ihre Schlingen fester zu, bis Kelland glaubte, seine Knochen müssten bersten, dann lockerte sie langsam ihren Griff, und blaues Sternenlicht kehrte in ihre Welt zurück.
Sie standen in Renais’ verlassenem Bauernhaus, dem verdorbenen Perethil gegenüber. Das Tor war verschwunden.
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