Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
flüsterte er ihr ins Ohr: »Bitharn, was hast du getan?«
Sie konnte nicht antworten. Aber ihr wurde plötzlich wieder bewusst, dass sie nicht allein waren. Bitharn schaute an ihm vorbei zu den Dornen hinüber. Die Spinne beobachtete sie; ein kleines Lächeln zog einen Mundwinkel in die Höhe, und Malentir …
Malentir beobachtete sie, und auf seinem Gesicht standen so viele Dinge, dass Bitharn sie nicht alle deuten konnte. Sehnsucht und Entsetzen, Hass und Bewunderung. Er betrachtete die Spinne mit dem Blick eines abtrünnigen Priesters, der sich seiner Göttin gegenübersah: Furchtsam und grollend und sich doch seltsam bestätigt fühlend, und das alles überlagert durch eine verdrehte, gequälte Art von Liebe. Die Gefühle waren so nackt und unverhohlen, dass Bitharn sich schaudernd abwandte und wieder zu der Spinne hinübersah …
Die sich jetzt regte, als nehme sie verspätet den Blick ihres Schülers war. Sie zog zwei silberne Armbänder hervor, als sie auf ihn zuging. Nein, keine Armbänder. Reifen aus dornenbesetztem Draht, so umeinander geschlungen, dass die Stacheln in alle Richtungen abstanden.
»Die gehören dir«, sagte sie und ließ die stachelbewehrten Armbänder von einem Finger baumeln.
»Das ist richtig«, stimmte er zu und zog die Ärmel von den Handgelenken zurück, sodass die weißen Narben an jedem Handgelenk sichtbar wurden. Jetzt verstand Bitharn, woher er diese vielen Schnittwunden hatte, und sie erschauerte. »Werdet Ihr sie ersetzen?«
»Du hättest sie niemals verlieren dürfen«, sagte die Spinne. Sie schob die Armreifen über seine Hände, wobei sie seine Hände ebenso zerkratzte wie ihre und das Blut auf beiden Händen in dünnen Linien zu fließen begann. Sobald die Armbänder seine Handgelenke umschlossen hatten, zog die Spinne die Drähte zusammen.
»Ich habe versagt.«
»Ja. Deine Aufgabe ist noch immer unvollendet.«
»Werdet Ihr … werdet Ihr mir erlauben, es noch einmal zu versuchen?«
»Natürlich«, antwortete sie und legte die Fingerspitzen an sein Kinn, während sie ihn zu einem Kuss heranzog. Es war ein langer Kuss, und obwohl Malentirs gestreiftes Haar nach vorn fiel, sah Bitharn, dass die Spinne ihn biss, bevor sie sich von ihm löste. Blut glänzte dunkel und nass auf der Innenseite seiner Lippen, als sie sich zurückgezogen hatte. Der Dornenlord schwieg, schwer atmend.
»Es wäre mir jedoch lieber, wenn du nicht wieder versagen würdest«, murmelte die Spinne und trat über die Grube des Scheiterhaufens. Verkohlte Knochen knackten unter ihren Füßen. »Enttäusche mich bitte nicht. Ich hatte so große Hoffnungen in dich gesetzt.«
»In euch alle«, sagte sie zu Bitharn und drehte sich mit dem gleichen, von Blut geröteten Lächeln zu den beiden Celestianern um, bevor die Dunkelheit sie einhüllte und sie verschwand.
8
»Ihr werdet jede Menge Wasser brauchen«, erklärte Colison ihnen. Hinter ihm verfrachteten zwei Arbeiter mühsam ein weiteres Fass auf einen Wagen. Ihr Atem bildete an diesem eisigen Morgen eine weiße Wolke; Schweiß befleckte ihre Kittel trotz der Kühle. »Und Essen. Futter für eure Tiere. Dort oben auf den Pässen kann es ein wenig heikel werden.«
»Schnee?«, fragte Asharre.
»Das auch.«
»Was ist sonst noch dort oben?«
Colison schob die Hände in die Ärmel und kratzte sich die Unterarme. Sein vom Wind gegerbtes Gesicht legte sich verlegen in Falten. »Nennt es … Aberglauben. Ich weiß nicht so recht, ob ich es anders erklären könnte. Hört mal, ihr vertraut mir doch?«
Asharre nickte. Colison war einer von Bassinos’ Handelskapitänen und mit der Aufgabe betraut, Karawanen mit seinen Gütern von Pelos zu den Eisenzahnbergen zu führen. Dafür erhielt einen Anteil an der Fracht und an den Gewinnen. Er hatte die Straßen von Ithelas schon bereist, als sie selbst noch gar nicht auf der Welt gewesen war. An seinem Körper war keine Unze Gewicht zu viel, und er hatte mehr Narben als die meisten Söldner, die sie kennengelernt hatte.
Kahlköpfig, gebräunt von Jahren unter der Sonne und hart wie altes Walnussholz, ließ Colison sich nicht leicht aus der Ruhe bringen. Aber jetzt war ihm offenkundig unbehaglich zumute.
Colison stieß einen Atemzug aus, der sogleich gefror und in der Luft hängen blieb. »Dann nehmt mein Wort darauf. Ihr werdet Wasser wollen. Mindestens einige Fässer. Wir werden den Schwarzen Sand nicht durchqueren, aber ab und zu ist es schwer, in diesen Bergen gutes Wasser zu finden.«
»Ich werde es den
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