Schwarzkittel
die Erholungsphase tat mir ausgesprochen gut. Meine Gedanken schwirrten um den aktuellen Fall und Stefanie, auch meine Freunde in Rheingönheim kamen mir wieder in den Sinn. Der Aufbau ihres Häuschens dürfte in der Zwischenzeit schon beträchtlich fortgeschritten sein. Ich nahm mir vor, heute Abend bei ihnen vorbeizuschauen. Doch zunächst hatte ich etwas anderes vor. Ich zog die Liste, die ich von Becker hatte, aus der Tasche. ›Dr. Hubertus Overath, Dannstadt‹, war der erste Name darauf. Klasse, dachte ich, das liegt fast auf dem Weg. Ich bezahlte meine Rechnung und verließ die Pizzeria. Aus der Ferne sah ich, wie sich gerade eine uniformierte Dame über meine Motorhaube beugte. Zum Glück hatte ich die Parkscheibe diesmal nicht vergessen. Lächelnd stieg ich in den Wagen und fuhr fort.
7.Venus im ersten Haus
In Schifferstadts lang gezogenem Nachbardorf kannte ich mich, von den Durchgangsstraßen abgesehen, nicht weiter aus. Als ich eine Frau mit Kinderwagen erblickte, nahm ich die Chance wahr. Ich hatte richtig spekuliert, sie konnte mir den Weg zur Praxis von Doktor Overath erklären. Diese lag gerade zwei Straßenzüge von meinem momentanen Standpunkt entfernt. Auch in diesem Fall waren die Praxis und das Privathaus in ein und demselben Gebäude untergebracht. Das Haus unterschied sich jedoch sehr von Dippers Anwesen. Overaths wohnten in einem eher schlichten Haus. Quadratisch, praktisch, gut, fiel mir hier spontan ein. Im Erdgeschoss lag wie bei Dippers die Kinderarztpraxis, was ich aus den großen Scheiben mit den vielen bunten Fensterbildern schloss. Ein Blick auf das Praxisschild und ein weiterer Blick auf meine Uhr machten mir klar, dass in der Praxis niemand mehr anzutreffen war. ›Dr. Hubertus Overath – Praxis für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Homöopathie‹ stand über den Öffnungszeiten auf goldenem Hintergrund. Die beiden daneben befindlichen Klingelknöpfe waren mit ›Praxis‹ und ›Privat‹ beschriftet. Ich drückte Letzteren und betrachtete, während ich auf eine Reaktion wartete, die doppelspurige, über 15 Meter lange Garageneinfahrt. Neben einem Porsche, der in der offenen Doppelgarage stand, befanden sich vier weitere Oberklassewagen in der Einfahrt. Arzt müsste man sein, dachte ich bei diesem Anblick, ohne wirklich zu wissen, ob es eine wirtschaftliche Verbindung zwi schen dem Ärzteberuf und dem Autotyp gab. Ich betätigte ein zweites Mal die Türglocke. So viele Wagen und keiner zu Haus? Nach einer weiteren Minute, ich wollte gerade ein drittes Mal klingeln, öffnete sich die Tür.
Ich liebte Überraschungen. Verwundert sah ich den Notarzt, Doktor Metzger, an. Es war heute bereits das zweite Mal, dass ich einem alten Bekannten unverhofft gegenüberstand. Zuerst Dietmar Becker und nun er. Doch auch Doktor Metzger ging es nicht anders. Mit offenem Mund starrte er mich mindestens genauso dämlich an wie ich ihn.
Er gewann als Erster die Fassung wieder. »Na so was, der Herr Kriminalhauptkommissar! Was führt Sie denn hierher, Herr Palzki?«
Der stämmige und groß gewachsene Doktor der Humanmedizin wirkte mit seinen feuerroten und zum Mittelscheitel gekämmten schulterlangen Haaren ziemlich grobschlächtig. Sein nervöser Tic, ein zuckender Mundwinkel, machte ihn nicht gerade sympathischer. Metzger hatte seine Kassenarztzulassung schon vor Jahren zurückgegeben, fuhr aber hin und wieder aus Langeweile Notarzteinsätze. Bei diesen Gelegenheiten hatte ich schon öfter das Vergnügen, ihm bei seiner Arbeit zuschauen zu dürfen. Im letzten Fall war Metzger sogar eine Zeitlang auf meiner Verdächtigenliste gestanden.
»Tag, Herr Metzger. Jetzt bin ich ehrlich sehr erstaunt. Mit Ihnen habe ich wirklich nicht gerechnet. Was machen Sie in dem Haus der Overaths?«
»Ich muss gestehen, ich bin ebenfalls erstaunt, Sie hier zu sehen. Ich besuche übrigens meine Schwester Meike, das ist die Frau von Hubertus.«
»Wie bitte? Doktor Overath ist ihr Schwager? Das ist ja fast unglaublich. Ist er denn zu sprechen?«
»Tut mir leid, Herr Palzki. Hubertus macht gerade Krankenbesuche, wie immer nach Praxisschluss. Sie haben sich einen schlechten Zeitpunkt für Ihren Besuch ausgesucht. Warum haben Sie nicht vorher angerufen? Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
»Wohl kaum. Aber vielleicht kann das Ihre Schwester. Sie ist doch bestimmt hier?«
Metzger zögerte einen Moment zu lang. »Ja, das heißt nein. Verdammt, sie ist schon hier, will aber im Moment nicht gestört werden. Sie
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