Schwarzkittel
die Pseudokruppfälle der letzten Zeit.«
»Ach ja? Ich dachte, die Verfahren gegen den ›Heiligen Leo‹ wären längst eingestellt.«
»Grundsätzlich haben Sie da recht, es gibt im Moment aber neue Verdachtsmomente. Vielleicht können Sie mir da weiterhelfen, Ihr Chef hat mich an Sie verwiesen.«
Schrober quetschte ein gequältes Lachen hervor. »Wahrscheinlich hat er Ihnen zudem gesagt, dass er von nichts weiß, stimmts?«
»Weiß er denn etwas? Sie scheinen nicht unbedingt ein gutes Verhältnis zu haben? Das war zumindest mein Eindruck.«
»Das war wohl nicht schwer zu erkennen. Doktor Fürchtegott Mayer ist arrogant, launisch und egozentrisch. Mehr Adjektive braucht man nicht, um ihn treffend zu beschreiben. Wenn er behauptet, dass er nichts weiß, lügt er. So wie eigentlich immer. Er hält die Fäden wie in einem Marionettentheater in der Hand. Keine Entscheidung ohne ihn. Selbst die Klopapiermarke muss mit ihm abgestimmt werden.«
Inzwischen hatten wir an seinem Schreibtisch Platz genommen.
»Und Sie wollen eine Reportage über das Unternehmen schreiben, Herr Becker?«, wandte ich mich dem Studenten zu.
»In der Tat. Die Leser unserer Zeitung sind ganz erpicht darauf, zu erfahren, wie Großunternehmen heutzutage funktionieren.«
»Das kann schon stimmen. Ich habe hier allerdings etwas Brisantes mit Herrn Schrober zu besprechen. Ich weiß nicht so recht, ob es in Ordnung ist, wenn die Presse dabei mithört.«
»Ach was«, unterbrach mich der Vertriebsleiter. »Herr Becker kann ruhig alles mithören. Von mir aus kann er darüber schreiben. Ich werde sowieso nicht mehr lange hier arbeiten.«
»Warum das denn?«
»Ich habe ein Angebot unseres größten Konkurrenten vorliegen. Das Unternehmen liegt praktischerweise gerade über den Rhein in Mannheim. Dort werde ich die technische Leitung übernehmen. Doktor Mayer weiß davon aber bis jetzt nichts.«
Ich lehnte mich bequem zurück und begann, meine Fragen zu stellen: »Herr Schrober, es liegen uns Anhaltspunkte vor, dass ›Croupison‹ trotz fehlender Zulassung bereits auf dem Markt ist und in einigen Praxen verordnet wird.«
Schrober nickte wie ein Wackeldackel. »Ihre Informationen sind vollauf zutreffend. ›Croupison‹ ist derzeit am Anfang der Zulassungsphase drei. Ein Zulassungsdossier kann erst nach Beendigung dieser Phase geschrieben werden. Damit wird dann die eigentliche Genehmigung beantragt. Wenn das Medikament die offizielle Zulassung erhalten hat, schließt sich die Phase vier an. Das Medikament ist erst zu diesem Zeitpunkt frei erhältlich, wird aber mithilfe von aufwendigen Studien weiterhin überwacht. Vor allem nach seltenen Nebenwirkungen wird Ausschau gehalten.«
»Hier wird also am ahnungslosen Patienten getestet?«, warf ich ein.
»Nein, Herr Palzki, so können Sie das nicht sagen. Die Phase vier ist eher als Kontrollphase zu verstehen. Das ist alles offiziell genehmigt.«
»Gilt das gleichermaßen für Phase drei?«, bohrte ich nach.
»Natürlich nicht. Hier ist die Gabe nur an freiwillige Testpersonen erlaubt. Sie müssen wissen Herr Palzki, dass in der ersten Phase an maximal 100 freiwilligen Probanden getestet wird. In Phase zwei werden an bis zu 500 Patienten die idealen Wirkstoffmengen überprüft. Dann kommen die noch umfangreicheren Studien der Phase drei. Sie haben recht, diese Medikamente dürften derzeit nicht auf dem freien Markt sein. Sind sie aber hin und wieder doch. Man gewinnt dadurch viel Zeit. Nach der Zulassung ist der Wirkstoff dadurch nämlich schon bekannt.«
»Und wenn die Zulassung versagt wird?«
»Auch das kommt manchmal vor. Dann verschwindet das Mittel einfach wieder. Kein Mensch kann sich zwei Jahre später noch daran erinnern.«
»Und wer ist dafür verantwortlich, dass ›Croupison‹ jetzt schon frei getestet wird?«
»Das bestimmt natürlich alles Doktor Mayer. Klar, wir vom Vertrieb organisieren dann den Versuchsballon. Trotzdem sind wir nur das ausführende Organ.«
»Wie läuft die Verteilung bei ›Croupison‹? Wie muss ich mir den Ablauf vorstellen?«
»Das läuft wie immer über Empfehlungen. In diesem Fall über Professor Zynanski vom ›Heiligen Leo‹. Er übernahm die Koordination und Verteilung an ausgesuchte Kinderärzte in der Region.«
»Der Professor bekommt dann für seine Dienste ein Honorar?«
»Selbstverständlich, so funktioniert das immer. Gleichermaßen bekommen die beteiligten Ärzte eine Aufwandsentschädigung. Da muss ich Professor Zynanski übrigens
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