Schwarzkittel
im Sekretariat.
»Sie haben alles mitbekommen?«, wandte ich mich an Becker.
»Jemand wurde umgebracht. Ihren Äußerungen nach ist es Frau Dipper.«
»Ja, Doktor Metzger hat sie eben im Kletterwald Speyer gefunden.«
»Im Kletterwald? Der hat doch um die Zeit noch geschlossen. Waren Sie schon mal dort?«
»Herr Becker, ich habe zwei Kinder. Natürlich war ich schon im Kletterwald. Paul und Melanie sind ganz verrückt danach, in den Bäumen rumzuturnen.«
»Der Park ist wirklich gut gemacht, Herr Palzki. Ich hatte selbst beim Klettern bereits mehrere Male meinen Spaß. Sind Sie ebenfalls schon die Parcours entlang geturnt?«
»Sind Sie verrückt? Ich werde mich hüten, dieses wacklige Zeug zu betreten. Das überlasse ich lieber den Affen.«
»Sie wissen gar nicht, was Sie verpassen, Herr Palzki.«
Ich versuchte das Gespräch abzublocken, indem ich meine Utensilien zusammensuchte. Dietmar Becker sah mich fragend und erwartungsvoll an.
»Sie wissen, wo ich jetzt hinfahre?«
Er nickte wortlos.
»Oh Mann, dann kommen Sie halt mit. Aber Sie bleiben absolut im Hintergrund, keine Eigeninitiativen, verstanden?«
Er strahlte wie ein kleines Kind. »Klar, ich pfusche Ihnen bestimmt nicht ins Handwerk.«
Der Kletterwald befand sich auf der Landstraße zwischen Iggelheim und Speyer. Kurz vor dem Ortseingang Speyer befand sich rechter Hand die Gaststätte ›Waldeslust‹, die weit über die regionalen Grenzen als Ausflugsziel bekannt war. Direkt dahinter lag der Kletterwald.
Als Einheimischer nahm ich einen Weg, der sich zwar durch Kurvenreichtum auszeichnete, dafür der Entfernung nach recht kurz war. Die Dudenhofener Straße war bis vor 35 Jahren ein für den Pkw-Verkehr zugelassener Waldweg, der fast in Luftlinie den Südwesten Schifferstadts mit Dudenhofen verband. Inzwischen war die Strecke asphaltiert und größtenteils als Landstraße aus gebaut. Durch den Bau der A 61 Anfang der 70er-Jahre, musste die Straße teilweise verlegt und durch zusätzliche Haarnadelkurven unter der Autobahn durchgeführt werden. Die Dudenhofener Straße begann westlich der Bahnlinie Schifferstadt–Speyer, direkt bei einem der beiden hiesigen Fußballvereine, aufgrund des Gründungsdatums kurz ›die Dreizehner‹ genannt.
»Ihr Wagen scheint sich so langsam in seine Einzelteile aufzulösen«, gab mir Becker mit Hinweis auf die fehlende Radkappe zu verstehen.
»Die muss mir jemand geklaut haben«, behauptete ich. »Der Wagen ist top in Ordnung, ich werde ihn mit Sicherheit noch ein paar Jahre fahren.«
Gerade in diesem Moment bemerkte ich es wieder. Schon heute Morgen, als ich den knappen Kilometer ins Büro gefahren war, war mir aufgefallen, dass irgendetwas mit der Lenkung nicht stimmte. Sie reagierte träger als sonst, weshalb ich leicht schlingernd fuhr. Doch ich nahm mir vor, dieses Phänomen nicht überzubewerten. Ich hielt nämlich viel von der Theorie der sich selbst reparierenden Maschinen. In Wirklichkeit aber fürchtete ich nur den Werkstattbesuch, der mich jedes Mal viel Zeit kostete und für mindestens ein bis zwei Tage einen Leihwagen zur Folge hatte.
Dietmar Becker schaute mich bereits nach der zweiten Kurve etwas verunsichert an. »Gibt es für Beamte eigentlich eine Sparversion des Führerscheins?«, versuchte er zu witzeln.
»Nein, das ist sogar viel schlimmer. Wir Beamte sind zwar nur die Exekutive, doch in Wahrheit sind wir das Gesetz. Und da wir nicht selbst kontrolliert werden, sparen wir uns alle das Geld für den Führerschein. Wussten Sie, dass bei 70 Prozent des deutschen Drogenhandels Polizeibeamte ihre Finger im Spiel haben?«
Mit offenem Mund glotzte er mich an. Ich hatte meine Mühe, ernst zu bleiben. »Das ist ein Scherz, oder?«
Eigentlich wollte ich das Spielchen noch weiter treiben, um von der unsicheren Fahrweise abzulenken, doch ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen.
»Jetzt haben Sie mir aber einen gehörigen Schrecken eingejagt, Herr Palzki.«
»Ich wollte Ihnen nur zeigen, dass selbst ich so etwas wie Humor habe.«
»Aber was für einen«, erwiderte er.
Wir hatten den Waldrand erreicht. Mittlerweile hatte ich mich etwas an die träge Lenkung gewöhnt, ich musste nur ein bis zwei Sekunden früher als üblich das Lenkrad einschlagen, dann passte alles.
»Man oh man, Sie driften ja wie bei der Rallye Paris-Dakar durch die Kurven. Haben Sie keine Angst, dass da vielleicht Gegenverkehr kommen könnte?«
»Um diese Zeit nie«, versicherte ich, inzwischen ebenfalls zweifelnd,
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