Schwarzkittel
die vielen Namen den Tasten zuzuordnen.
»Na, was ist, machst du hier deine Doktorarbeit?« Inzwischen standen zwei Kollegen hinter mir.
»Immer mit der Ruhe, man wird wohl noch auswählen dürfen.«
Inzwischen war ich so nervös, dass ich gar nichts mehr zustande brachte. Hinter mir wurden inzwischen in normaler Gesprächslautstärke Witze über mich gemacht, deren Pointe ich allerdings nicht verstand. Zur Deeskalation der Situation drückte ich einen besonders farbig gestalteten Knopf. Ich war verwundert, tatsächlich spritzte eine Sekunde später eine dunkle Flüssigkeit in einen Kunststoffbecher. Ich entnahm ihn und wie derholte den Vorgang und war damit im Besitz zweier Heißgetränke. Stolz lächelnd aber wortlos schritt ich die inzwischen mehrere personenstarke Warteschlange ab und ging zurück zu Becker. Dieser hatte bereits das erste Schokobrötchen so gut wie vertilgt.
»Ah, herrlich«, sagte er. »Das kommt gerade rechtzeitig, vielen Dank.«
Er nahm mir einen Becher ab und kostete. Erst verzog er leicht den Mund, dann rümpfte er die Nase, und schließlich fragte er mich: »Sind Sie sicher, dass Sie am richtigen Automaten waren?«
»Na, ich bitte Sie, Herr Becker, ich werde doch den Kaffeeautomaten von unserer Altölanlage im Keller unterscheiden können. Obwohl –«, ich machte eine kleine Pause, um den Scherz auszukosten. »Für wen halten Sie mich, es ist schließlich nicht das erste Mal, dass ich einen Automaten bediene«, ereiferte ich mich möglichst vorwurfsvoll.
Becker gab sich damit nicht zufrieden. »Was ist das denn für eine Sorte? So was habe ich noch nie getrunken. Es mag wohl sein, dass Ihnen diese Brühe schmeckt.«
»Also, ich trinke das jeden Tag hier im Büro.«
»Um welche Sorte handelt es sich denn jetzt?«
»Es ist Kaffee vom Typ ›Surprise‹. Das steht jedenfalls auf der Taste.«
»Nun denn, lassen Sie sich die Überraschung schmecken.« Becker wandte sich wieder seinem Schokobrötchen zu. Ich probierte ebenfalls mein Getränk und fand es furchtbar. Es schmeckte nicht eindeutig nach Kaffee und nicht eindeutig nach Milch. Eher irgendwie nach Resteverwertung.
Mein Telefon klingelte erneut. Das könnte in dieser Situation meine Rettung sein, doch was ist, wenn ausgerechnet jetzt Stefanie am anderen Ende war? Ich konnte schließlich meine familiären Probleme schlecht im Beisein von Dietmar Becker klären. Aber zum Glück war es nicht meine Frau.
»Metzger hier. Morgen, Herr Kriminalkommissar.«
Die bedrohliche Stimme war unverwechselbar. »Morgen, Doktor Metzger, was gibt es so früh? Ihr Schwager hat sich heute ebenfalls bereits bei mir gemeldet.«
»So? Ich habe keine Ahnung, wo Hubertus im Moment steckt. Ich wollte Ihnen nur eine kurze Information geben. Die Kuh Elsa ist tot.«
»Kuh Elsa? Wollen Sie jetzt einen Didi Hallervorden Gedächtnismorgen veranstalten? Haben Sie was getrunken?«
»Okay, okay, ich vergaß, dass Sie keinen Spaß vertragen. Komme ich halt gleich zur Schlusspointe. Ihre Kinderarztgattin ist tot.«
»Wie bitte? Welche Kinderarztgattin?«
»Na, die aus Haßloch. Elli Dipper, das steht jedenfalls auf ihrem Ausweis, den ich hier in meiner Hand halte. Ziemlich blutverschmiert übrigens.«
»Mensch, jetzt erzählen Sie mal der Reihe nach, das ist ja nicht auszuhalten mit Ihnen.«
»Dann hören Sie mal gut zu Herr Kommissar: Ich habe vor fünf Minuten Frau Dipper tot aufgefunden. Zu Ihrem Verständnis, es war kein Unfall.«
»Wo sind Sie? Hat Sie sich umgebracht?«, schrie ich förmlich in den Hörer. Becker saß mit afrikanischen Elefantenohren am Besprechungstisch und hörte mir zu.
»Keine Panik, Herr Palzki, das macht sie nicht wieder lebendig. Ich bin hier im Kletterwald in Speyer. Und dort fand ich Sie an einen Baum gelehnt sitzen. Selbstmord würde ich ausschließen. Es dürfte schwierig sein, sich selbst wie ein Sieb zu durchlöchern und anschließend die Waffe verschwinden zu lassen.«
Mein Puls beschleunigte immer mehr. »Sind Sie alleine dort?«
»Ja, Näheres erzähle ich Ihnen später.«
»Dann bleiben Sie mal schön, wo Sie sind, und fassen Sie nichts an. Sie kennen ja das übliche Prozedere. Ich werde gleich jemand zu Ihnen schicken.«
»Ist schon gut, Sie brauchen sich nicht zu beeilen. Ich habe genug Unterhaltung hier.«
Mit einem ekligen Frankensteinlachen legte er auf.
Ich aktivierte den üblichen Polizeiapparat und gab den Tatort durch. Jutta und Gerhard waren noch nicht im Büro, ich hinterließ ihnen eine Nachricht
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