Schwarzlicht (German Edition)
ist.»
Schranz zuckte mit den Schultern. «Fabris Leute lassen garantiert keinen rein.»
Vincent trat den vor sich hin glimmenden Zigarettenstummel aus und ging zu seinem Auto.
Die Holzstufen knarrten, das Linoleum auf dem Absatz war brüchig. Vor der Wohnungstür im ersten Stock sortierte ein Weißkittel von der Tatortgruppe Spurenbeutel in eine Ledertasche. Der Mundschutz baumelte unter dem Kinn. Vincent kannte den Kollegen. Der Mann war dabei gewesen, als sie in der Nacht auf Dienstag der verwischten Blutspur des Ministerpräsidenten nachgegangen waren.
«Darf ich?», fragte Vincent und wies zur Tür.
«Nicht vor morgen.»
«Das Opfer ist eine Zeugin im Fall Castorp.»
Sie ist es oder sie war es, überlegte Vincent. Auf Messers Schneide – erst jetzt ging ihm auf, wie makaber die Metapher des Kollegen Schranz gewesen war, angesichts der Waffe, mit der Borsig gewütet hatte.
«Na gut», antwortete der Kriminaltechniker. «Aber nicht ohne Schutzkleidung.»
«Wär auch schade um das schöne Seidenhemd, wenn es etwas abkriegen würde.»
Der Kollege verzog das Gesicht. «Daran hab ich weniger gedacht.»
«Klar.» Vincent nahm sich ein Set aus einer Tasche. «Ist Fabri auch da?»
«Feiert Überstunden ab.»
«Ausgerechnet heute?»
«Dich hat man doch auch kaltgestellt. Sprich aus, was dir stinkt, und du wirst nach Hause geschickt. Dass es draußen im Neandertal ein zweites Auto gegeben hat, passt den Obermuftis partout nicht in den Kram.»
Vincent zog den Reißverschluss zu und machte sich auf einen schlimmen Anblick in der Wohnung gefasst. Man glaubt kaum, wie viel Blut in einem Menschen steckt .
«Halte dich an den Pfad, den wir markiert haben», ermahnte ihn der Kollege. «Wir sind noch lange nicht fertig.»
Im hinteren Teil der Diele fotografierten zwei Techniker die Spuren. Eine Lache auf dem Boden, Flecken und Spritzer überall, sogar an der Decke. Die Tür hinter ihnen stand offen. Vincent erkannte das Badezimmer und das Fenster, aus dem Borsig gesprungen war.
Bettina hatte ihn daran gehindert, sich ihre Tochter zu schnappen, dachte Vincent. Die Löwin verteidigt ihr Kleines.
Vincent fiel das Protokoll ein, das er zu Blümchens Aussage von vorgestern Abend angefertigt hatte. Es lag noch in der Schreibtischschublade. Falls sie starb, bevor sie es unterschreiben konnte, würde es nutzlos sein. Dann fehlte nur noch, dass Carmen Markowitz behauptete, zu ihrer Aussage über die Nummernkonten in Zürich und die acht Millionen Euro Schwarzgeld gezwungen worden zu sein.
Er schaute sich um. Die Zimmer waren hell und geräumig, hohe Decken, das Parkett erst kürzlich verlegt oder abgeschliffen – man roch noch die Versiegelung. Glatter Putz an den Wänden, weiß gestrichen. In der Küche hingen Kabel aus der Wand, darüber ein Band weißer Fliesen, ein Wasserhahn, sonst nichts. Unbenutzt und neu. Der Raum zur Straßenseite war ebenfalls leer.
Nach hinten lag ein größeres Zimmer mit Balkon. Neue Türen und Fenster, die keinen Laut von draußen hereinließen. Der Blick ging auf den Hof mit den Müllcontainern. Ein Auto wurde in eine Lücke gesetzt, der Lieferwagen war verschwunden.
Auf dem Parkett lagen zwei Matratzen. Ein Elektrokocher mit zwei Platten. Ein tragbarer CD-Spieler. Ein Schachspiel und die beiden Einkaufskörbe. Kleidung hing an einem verchromten Ständer. Auf dem Fensterbrett stand ein Blumentopf. Große weiße Blüten mit blauen, radförmig aufgefächerten Staubgefäßen – Nora hätte sicherlich gewusst, wie die Pflanze hieß.
Die Notunterkunft für Blümchen und ihre Tochter war eine frisch renovierte Altbauwohnung, leer und bereit, neu vermietet zu werden. Oder zum Verkauf stehend. Sicher war ein Makler beauftragt worden. Was es wohl kosten würde, hier zu wohnen? Ingo Ritter wüsste es vermutlich, zumindest ungefähr.
Ingo Ritter.
Vincent atmete tief ein und langsam aus. Er ballte die Fäuste und löste sie wieder.
Was sie heute wohl treibt? Keine Ahnung .
Von wegen. Ingo hatte ihn angelogen.
Blümchen und ihre Tochter hatten zu dem Zeitpunkt bereits in dieser Wohnung Zuflucht gesucht. Die Worte der Nachbarin in der Ackerstraße: Tina und Feli sind verreist. Schon seit dem Wochenende .
Und was hatte Susanne Hachmeister von der Sitte gesagt? Sie hatten eine Bettina Blume bei einer Razzia festgenommen. Wir mussten sie gleich wieder laufen lassen . Weil Ingo seine Hand über sie hielt.
Vincent schwirrte der Kopf. Er saß in seinem Auto, Blümchen neben ihm, in
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