Schwarzlicht (German Edition)
enorm.»
Schließlich das Schlafzimmer. Das Gemälde über dem Bett war modern und zeigte ebenfalls einen Sebastian. Doch dieser Heilige war athletisch und lehnte lasziv an seinem Pfahl, die drei Pfeile im Fleisch schienen ihn nicht zu stören. Offensichtlich hatte sich der Maler vor allem für das Geschlechtsteil des Gemarterten interessiert.
«Sagtest du, wie für mich gemacht?»
«Du kannst ja ein Laken über das Kunstwerk hängen.»
Sie stellten das Gepäck ab. Ingo verschwand in der Küche und brachte zwei Piccoloflaschen Sekt.
«Auf dein neues Zuhause!»
«Ich weiß nicht recht.»
«Hey, so schick wohnt man selten! Der Inhaber ist Designer. Sein Freund und sein Job sind in Mailand, aber er ist sich nicht sicher, ob beides von Dauer ist. Aus dem Grund gibt er das Apartment nicht auf und will es erst einmal vermieten. Hier stehen ein paar kostbare Stücke, ich nehme an, du bist haftpflichtversichert?»
Sie stießen an. Vincent setzte die kleine Flasche an die Lippen. Es perlte, mehr Kohlensäure als Flüssigkeit.
«Was verlangt der Mann?»
Ingo öffnete den Vorhang, dahinter eine Terrasse. «Park-View!»
Baumwipfel leuchteten in der beginnenden Dämmerung. Der Wind rauschte, Vogelgezwitscher drang herauf. Nette Lage, vermutlich unerschwinglich.
«Wie viel?»
Ingo rieb seinen Stoppelbart. «Sie heißt Nina, stimmt’s? Ihr habt es ganz schön lange ausgehalten. Bist du geflohen, oder hat sie dich rausgeworfen?»
«Es wird sich wieder einrenken, denke ich.»
«Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, das sag ich dir.»
Vincent dachte an Ninas Notiz: Ich kann das nicht mehr .
«Für ein paar Tage kannst du umsonst hier wohnen», erklärte Ingo endlich. «Der Typ muss es ja nicht mitkriegen. Wenn du länger bleiben möchtest, machen wir einen Vertrag bis Ende August. Dann will sich der Typ entschieden haben. Tausend pro Monat.»
«Also dreitausend insgesamt.»
«Echt supergünstig für eine voll möblierte Wohnung in dieser Stadt. Dafür kannst du alles nutzen. Musik, Filme …»
«Ich weiß nicht, ob ich den Geschmack des Besitzers teile.»
«Vielleicht findest du ja Gefallen daran.» Ingo lachte.
Die kleinen Flaschen waren geleert. Sie tratschten noch kurz über Festungs-Interna. Thann, der Korinthenkacker. Kripochef Engel, der Unberechenbare. Polizeipräsident Schindhelm, auch der Papst genannt, der nach außen den unfehlbaren Hardliner gab, aber nicht den geringsten Durchblick besaß.
Als Vincent den Weggang von Ela Bach erwähnte, fragte der Kollege: «Hab ich dir schon erzählt, dass sie beim Sex immer …»
«Ja, hast du.»
Ingo nickte. «Das Notorious hat übrigens wieder aufgemacht.»
«Hast du erwähnt.»
«Wir sollten mal hingehen.»
Warum nicht heute, dachte Vincent.
«War schön, mal wieder zu plaudern. Hier wirst du gut schlafen, garantiert. Total ruhig, Traumlage.»
«Ich schulde dir etwas.»
«Ach was. Alte Kollegen. Vergangenheit verbindet. Shit, ey, wir alle schulden einander etwas.»
Vincent begleitete Ingo zur Tür. Der Kollege drückte ihm den Schlüssel in die Hand.
Dann war Vincent allein.
Für einen Moment sah er eine zitternde Frau, die sich zum geöffneten Autofenster herunterbeugte. Verschmierter Lippenstift, rote Flecken im Gesicht, die von Schlägen stammten. Ingo Ritter auf dem Beifahrersitz – wie viele Jahre lag der Einsatz zurück?
Vincent blickte auf die Uhr. Es war gerade mal halb neun.
Er fand eine Steckdose, um sein Handy aufzuladen. Dann inspizierte er noch einmal die Unterkunft, die ihm fremd blieb. In einer Schublade entdeckte er die DVD-Sammlung des Besitzers: Klassiker der Filmgeschichte, amerikanische Krimiserien, Schwulenpornos.
Er betrat das Schlafzimmer und grüßte den seltsamen Heiligen mit erhobenem Daumen. Ein Schrank war abgesperrt, der andere leer. Ein gutes Dutzend Drahtbügel an der Stange. Vincent hängte seine Hemden auf und sortierte den Rest der Klamotten in die Fächer. Ihm fiel ein, dass die Sporttasche noch im Auto lag.
Nebenan gab sein Handy Laut. Er rannte hinüber. Wie sollte er reagieren, wenn es Nina war?
Felix May meldete sich. Der Kollege vom KK11, der in dieser Woche Mordbereitschaft hatte. «Castorp ist tot.»
Vincent glaubte, sich verhört zu haben.
«Walter Castorp, du weißt schon, unser Ministerpräsident … Ich bin gerade hier am Tatort eingetroffen.»
«Bitte, Felix, verarsch mich nicht!»
«Das ist kein Scherz und auch keine Verwechslung. Die Visage ist bekannt. Außerdem liegt
Weitere Kostenlose Bücher