Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzlicht (German Edition)

Schwarzlicht (German Edition)

Titel: Schwarzlicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
nicht? Ich meine, Ihre Kollegen haben das Gebäude doch vorhin erst gecheckt!»
    «Nein, ich bin privat da. Ich will mir nur die Ausstellung ansehen.»
    «Oh!» Sie fasste sich an ihr silbriges Halskettchen, offenbar irritiert. «Wie sind Sie dann hereingekommen? Wir haben seit zwei Stunden geschlossen. Die RheinBank AG hat die Räumlichkeiten gemietet.»
    «Ich dachte, Sie hätten bis zwanzig Uhr …»
    «Nein, nicht heute. Wurden Sie am Eingang nicht kontrolliert? Wenn das die Leute von der RheinBank wüssten. Die sind so pingelig, als käme Obama zu Gast.»
    Vincent wusste, warum. Der missglückte Anschlag auf den obersten Boss der Bank saß allen noch in den Knochen.
    «Dürfte ich bitte Ihren Ausweis sehen?», fragte die Schwarzgewandete.
    Vincent wollte sie darauf hinweisen, dass sie nicht das Recht habe, das zu verlangen. Doch er gab nach und reichte ihr seinen Dienstausweis, das grüne Kärtchen mit Foto und Landeswappen.
    Sie blickte auf. «Vincent Che Veih?»
    «Kann ich den Ausweis zurückbekommen?»
    «Sind Sie etwa …»
    Er nickte.
    Für ein paar Augenblicke herrschte Schweigen. Die Frau streckte ihm sein Kärtchen hin, Vincent verstaute es.
    «Und Sie sind ausgerechnet Polizist geworden?»
    «Das versteht meine Mutter auch nicht.»
    «Warum haben Sie nicht gleich verraten, dass Sie Brigittes Sohn sind?»
    «Ich prahle lieber nicht damit.»
    «Wenn ich Zeit hätte, würde ich Sie gern durch die Ausstellung …»
    «Nicht nötig. Ich habe alles gesehen, das genügt.»
    Sie begleitete Vincent in den Vorraum. Der Ticketschalter war noch immer unbesetzt, aber im Eingang standen jetzt zwei blau Uniformierte. Keine Kollegen, sondern Angestellte eines privaten Sicherheitsdienstes. Ihre festen Schuhe erinnerten Vincent an Einsatzstiefel, wie sie die Männer vom Spezialeinsatzkommando trugen.
    «Warten Sie», bat die Museumsmitarbeiterin, lief hinter den Schalter und kehrte mit einem schmalen Buch zurück. Die Strafgefangene namens Lucky auf dem Titel. Vincent wollte für den Ausstellungskatalog bezahlen, aber die Angestellte wehrte ab.
    «Eine Frage noch», sagte er.
    «Gern auch drei oder vier, Herr Veih.»
    «Warum haben Sie diese Ausstellung gemacht?»
    Hochgezogene Augenbrauen, schräg gestellter Kopf, ein angedeutetes Schulterzucken – dabei fand Vincent, dass er keine dumme Frage gestellt hatte.
    «Weil es Fotokunst ist, die hierher gehört», antwortete die Frau schließlich. «Eine spannende Fortschreibung der klassischen Porträttradition. Mit einer gesellschaftlichen Relevanz, der wir uns stellen sollten, meinen Sie nicht?»
    Ähnliche Worte hatte Vincent im Faltblatt gelesen. Er bohrte nach: «Geht es Ihnen nicht bloß um den Namen Brigitte Veih, um das gruselige Gefühl, das er bei den Leuten auslöst?»
    «Absolut nicht! Ihre Mutter ist eine Künstlerin von hohem Rang. Ich bin sehr stolz, dass ich die Ausstellung kuratieren durfte. Es war toll, mit Brigitte zu arbeiten. Eine wirklich interessante Frau.»

    Draußen hatte ein feiner Sprühregen eingesetzt. Vincent klemmte sich den Katalog unter den Arm und beeilte sich, zu seinem Auto zu kommen. Ein Mann mit einem Cellokasten begegnete ihm und grüßte.
    Als Vincent im Trockenen saß, schlug er das dünne Buch auf. Den künstlerischen Wert der Aufnahmen konnte er nicht beurteilen. Alltagsgesichter, fand er. Vielleicht war das Brigittes Aussage: Die Häftlinge sind Menschen wie du und ich. Aber stimmte das?
    Vincent fielen ein paar Situationen ein, in denen nicht viel gefehlt hätte, und er wäre selbst auf der anderen Seite des Gesetzes gelandet. Mit fünfzehn. Mit vierunddreißig. Aber sollte er sich deshalb mit diesen Frauen identifizieren?
    Den Fotos war ein mehrseitiger Text vorangestellt. Auch darin wurde eine gesellschaftliche Relevanz beschworen, aber nicht genauer benannt. Vincent las den Namen der Verfasserin: Dorothee König.
    Sie hatte seine Mutter beim Vornamen genannt: Es war toll, mit Brigitte zu arbeiten. Eine wirklich interessante Frau .
    Als Mutter ein Albtraum, dachte Vincent.
    Die Scheibe beschlug, ihm wurde kalt, und er hatte Hunger.

    Vierzig Minuten später leckte er sich die Finger ab, legte den Pizzakarton zum Altpapier und leerte den Rest der Bierflasche in sein Glas. Alkoholfreies Weizen – Sportlergetränk, behauptete die Werbung. Normales Bier wäre ihm jetzt lieber gewesen, doch er hatte nicht daran gedacht, etwas zu kaufen. Das Frühstücksgeschirr stand noch herum, er räumte es in die Spülmaschine.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher