Schwarzlicht (German Edition)
NRW Punkt de.»
Ein doppeltes Räuspern. Der Typ stand offenbar unter Anspannung. Wende dich meinetwegen an die Behördenleitung, dachte Vincent, aber lass mich gefälligst in Ruhe.
«Herr Veih, ich denke, wir sind uns einig, dass die Auswirkungen des Todes von Walter Castorp auf das Ansehen der Demokratie möglichst gering gehalten werden sollten.»
«Sie reden mit einem Kriminalbeamten, Herr Brennecke.»
«Ja, klar.»
«Und das Ansehen der Demokratie ist nicht meine Baustelle. Dafür sind andere zuständig. Leute wie Sie und die Kanzlerin. Leute wie Castorp. Mein Job ist es, die Umstände seines Todes festzustellen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe zu tun.»
Verdutzte Stille am anderen Ende, Vincent legte auf.
Vincent und Dominik Roth machten sich auf den Weg – er hatte den Neuling gebeten, ihn zur Vernehmung von Carmen Markowitz zu begleiten.
Dominik rieb seinen rechten Arm. «Das Wetter schlägt um.»
«Deine Schussverletzung?»
«Eine Ladung Schrot bei einem Festnahmeversuch.»
«Hab davon gehört.»
Andere Beamte bekam man nach einer solchen Verletzung monatelang nicht zu sehen. Sie schluckten Antidepressiva oder fingen an zu saufen. Dominik hatte schon am nächsten Tag auf dem Podium einer Pressekonferenz gesessen, zum Abschluss eines Falls, bei dem Thilo Beckers Mordkommission nicht gut ausgesehen hatte. Vielleicht war Becker deshalb so schlecht auf den Neuling zu sprechen.
«Ich glaube, du könntest ein größeres Zimmer gebrauchen», sagte Vincent.
«Wird eines frei?»
«Der Haken ist eine Bushaltestelle genau unterm Fenster, aber es ist allemal besser als deine Besenkammer.»
Er drückte auf den Funkschlüssel, um sein Auto aufzuschließen. Es grüßte mit einem Blinken der Lichter. Wenigstens ein Geschöpf, das sich freut, dachte Vincent.
«Wir könnten laufen», bemerkte Dominik. «Es sind nur fünf Minuten von hier.»
«Stimmt, aber ich weiß noch nicht, wohin ich anschließend muss.»
Vincent hatte sich vorgenommen, seine Mutter aufzusuchen, sobald es die Arbeit erlaubte. Am Telefon würde sie sich das Buchprojekt nicht ausreden lassen.
Im Autoradio eine Diskussionssendung, Thema Polizeigewalt. Die Behörde stand am Pranger, und obwohl er nichts für den Zwischenfall konnte, kam es Vincent vor, als hackten die Klugscheißer im Hörfunkstudio auch auf ihm herum.
«Reden die über uns?», fragte Dominik, an einem Fingernagel knabbernd.
«Die Sache am Seestern», erklärte Vincent. «Der Student, der im Koma liegt, wird mit Dachschaden aufwachen, wenn überhaupt.»
«Warum mussten unsere Leute dort eigentlich aufkreuzen?»
«Weil die Demonstranten sonst den Baugrund besetzt hätten.»
«Wäre das kleinere Übel gewesen.»
Ein Diskussionsteilnehmer schwadronierte darüber, dass der Begriff des Ordnungshüters in Zeiten verschärfter sozialer Gegensätze hinterfragt werden müsse. Vincent dachte an die Sinnsprüche seines Opas, die ihn früher so genervt hatten.
«Hinterher weiß man es immer besser», sagte er zu Dominik und setzte den Blinker.
16
Die Staatskanzlei residierte in den mittleren Etagen eines gläsernen Hochhauses, das den Himmel spiegelte – der Traum eines Stararchitekten aus einer Zeit, als Staatsverschuldung noch kein Aufreger gewesen war.
Vincent parkte auf der weiten Rampe vor dem Haupteingang. Am Empfang mussten er und Dominik sich ausweisen, vor den Aufzügen ein zweites Mal. Die Schüsse auf RheinBank-Boss Dingendorff hatten auch hier für erhöhte Alarmbereitschaft gesorgt.
Das Tempo des gläsernen Fahrstuhls war so atemberaubend wie der Ausblick. Unter ihnen schossen die Autos in den Rheinufertunnel, das Landtagsgebäude zeigte sich aus ungewohnter Perspektive, dahinter glitzerte der Rhein. Vincent bedauerte, schon auf halber Höhe aussteigen zu müssen.
Ein Praktikant führte ihn und Dominik in das Vorzimmer des Ministerpräsidenten. Zwei Sekretärinnen hatten hier ihren Arbeitsplatz, die Schreibtische im rechten Winkel zueinander. Schicke Kostüme, adrette Frisuren, erwartungsvolle Mienen. Die eine war etwa in Vincents Alter, hager, aristokratischer Ausdruck, fast herrisch. Vincent musste an die Frauen denken, die seine Mutter fotografiert hatte.
Er wandte sich an die Zweite. «Frau Markowitz?»
Sie nickte. Schlichte weiße Bluse, schulterlanges blondes Haar, seitlich gescheitelt. Eine auffallend schmale Nase. Die Frau sah gut aus, der sportliche Typ. Jemand zum Skifahren und zum Feiern danach.
Natürlich war es die Jüngere
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