Schwarzlicht (German Edition)
den Ministerpräsidenten in der Schweiz erkannt hätten. Kriegst du heraus, wer das war? Wir müssen rekonstruieren, was Castorp dort im Einzelnen getrieben hat.»
«Ich ruf dich zurück.»
Zweiter Stock, der Flur des KK11. Vincent steuerte das Büro von Bruno Wegmann an.
Der Kollege saß noch immer vor Castorps Laptop, bearbeitete die Tastatur und fluchte.
«In welcher Gewichtsklasse hast du mal geboxt?», fragte Vincent.
«Halbschwergewicht und Schwergewicht, wieso?»
«Schlag das Teil bitte nicht k.o.»
«Haha», brummte Bruno.
Vincent setzte sich zu ihm. «Was hat dir der Kollege vom Einbruch über die Castorp-Affäre erzählt?»
Bruno gab einen kurzen Abriss der Geschichte: Die Opposition hatte irgendwann nach der Weihnachtspause einen anonymen Hinweis erhalten. Weil man die Vorwürfe zunächst für zu ungeheuerlich hielt, um sie ernst zu nehmen, dauerte es Wochen, bis man endlich die Büros auf versteckte Sender untersuchte und an mehreren Stellen fündig wurde: im Fraktionssaal, in den Räumen der Fraktionsvorsitzenden und ihres Stellvertreters. Die Betroffenen erstatteten Anzeige.
Der Verdacht fiel rasch auf einen Mitarbeiter im Stab des CDU-Wahlkampfleiters, der offiziell als Medienreferent eingestellt worden war und als Stratege perfider Schmutzkampagnen galt. Der Mann legte ein Geständnis ab und belastete den Ministerpräsidenten als unmittelbaren Anstifter. Als das an die Öffentlichkeit gelangte, wurde es sehr schnell eng für den Spitzenpolitiker, und trotz seiner Ehrenworterklärung vor einer Woche ließen ihn die eigenen Parteifreunde in Land und Bund fallen wie eine heiße Kartoffel.
«Was ist der Unterschied zwischen einem Theater und der Landesregierung?», fragte Bruno und lieferte selbst die Antwort: «Im Theater sind die Schauspieler besser …»
«Werden aber schlechter bezahlt.»
«Warum kannst du mir nicht die Pointe überlassen?»
«Der Witz hat Patina angesetzt, Bruno, den kenne sogar ich.» Vincent wies auf den Laptop. «Was ist mit Castorps E-Mail-Korrespondenz?»
«Da komme ich nicht ran. Passwortgeschützt. Sorry, hab alles versucht. Was ich dir zeigen kann, sind ein paar pikante Privatfilmchen, die Castorp mit den Minikameras in seinem Haus in Bochum aufgenommen hat.» Er leckte sich die Lippen. «Willste mal sehen?»
«Gibt es Aufnahmen von den Wanzen im Landtag?»
«Nein.»
«Sollte man aber erwarten können, oder?»
«Vielleicht auf einem anderen Rechner. Castorp verfügt über mehrere Büros.» Bruno nahm beim Aufzählen die Finger zu Hilfe. «Landtag, Staatskanzlei, die Zentrale der Landespartei, zu Hause in Bochum. Und vermutlich hat er überall einen Computer.»
«Hat das KK14 sich die noch nicht besorgt?»
«Nein.»
«Dann sollten wir es tun.»
«Dafür brauchen wir mehr Leute.»
«Ich weiß. Die Behördenleitung verwehrt mir jede Verstärkung. Schindhelm sagt, wir sollen Dampf machen, aber ich glaube, er meint das Gegenteil. Und die Staatsanwaltschaft wird vom Justizministerium ausgebremst.»
«Leg dich nicht mit der Politik an, Vincent. Da ziehst du nur den Kürzeren.»
«Eine Frage, Bruno. Früher, als du im Ring standest …»
«Ich war nur Amateur. Mein Ausgleichssport zum Dienst auf der Straße, bis meine Pumpe zu morsch dafür wurde.»
«Wie bist du deinen Gegnern begegnet?»
«Hab auf sie eingedroschen.»
«Ich meine, hattest du Angst?»
«Nicht im Ring. Dass sie dir wehtun, musst du ausblenden, wenn du vorhast zu gewinnen.»
«Genau das wollte ich von dir hören.»
Vincent griff nach Brunos Telefon, wählte die Nummer der Staatsanwaltschaft und ließ sich mit Martin Kilian verbinden.
Er hatte vor zu gewinnen.
27
Auf seinem Schreibtisch fand Vincent ein Dossier, das Anna über Walter Castorp verfasst und ihm hingelegt hatte. Vincent nahm Platz. Die ersten Seiten waren Listen: Jahreszahlen, Orte und Ämter.
Walter Rudolf Castorp, geboren 1966 in Bochum. Studium der Rechtswissenschaft in Münster und Heidelberg. Mitglied einer nichtschlagenden Studentenverbindung mit kompliziertem Namen. 1992 hatte Castorp das Referendariat mit dem zweiten Staatsexamen beendet, promoviert und die Zulassung als Anwalt erworben, war aber nicht in diesen Beruf eingestiegen – seine Politkarriere befand sich schon in vollem Gang: 1986 Bundesvorsitzender der Jungen Union, ab 1994 Mitglied des Bundestags, seit 2004 im Vorstand seiner Partei.
Im selben Jahr wurde er zum Schatzmeister der CDU gewählt. Dieses Amt gab er 2008 ab, als er erstmals im
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