Schwarzlicht (German Edition)
gestoßen, die dem ersten Eindruck, es könnte sich um einen Unfall handeln, widersprachen?»
«Richtig.»
Sie zeigte wieder ihr Lächeln und erklärte, dass ein sendbarer O-Ton mehr umfassen müsse als nur ein Wort. Vincent begriff: Der WDR würde das Interview nicht in Gänze ausstrahlen, sondern nur ausgewählte Sätze, eingebaut in einen Beitrag. Die junge Frau stellte ihre Frage noch einmal.
«Wir glauben», antwortete Vincent, «dass Walter Castorp von einem oder mehreren Eindringlingen überfallen wurde. Nach Lage der Spuren wurde er niedergeschlagen und in ein Schwimmbecken geworfen, wo er ertrank.»
«Also Mord?»
Ein kurzes Nicken, Klartext reden. «Vorsatz kommt in Betracht, also ermitteln wir in einer Mordsache.»
Der Reporterin war Freude anzusehen, vermutlich war ihr klar, dass sie das M-Wort bis jetzt exklusiv hatte. «Können Sie ausschließen, dass die Tat einen politischen Hintergrund hat?»
«Nein, aber ich halte einen Terrorakt für wenig wahrscheinlich. Es gab weder Drohungen, noch hat sich jemand zu der Tat bekannt. Wir gehen von einem Einbruch aus, der aus dem Ruder lief. Das sieht auch der Generalbundesanwalt so, sonst hätte längst das Landes- oder Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernommen.»
«Nein, ich dachte nicht an Terroristen. Könnte der Mord nicht eher mit dem Lauschangriff auf die Opposition in Zusammenhang stehen?»
Vincent spürte, wie ihm unwohl wurde. Er suchte nach einer Formulierung, die man nicht politisch ausschlachten konnte, und entschied sich für einen Standardsatz: «Dazu fehlt uns zur Stunde jeder Anhaltspunkt.»
«Aber in seiner letzten Pressekonferenz hat Walter Castorp sein Ehrenwort gegeben, mit den Abhörgeräten, die im Landtagsgebäude gefunden wurden, nichts zu tun zu haben. Er hat angedeutet, er sei hereingelegt worden. Für heute hatte er ursprünglich eine neue Pressekonferenz angekündigt. Glauben Sie denn nicht auch, dass jemand verhindern wollte, dass der Ministerpräsident seine Unschuld beweist?»
«An solchen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Ich bitte um Verständnis.»
Offenbar sah Saskia Baltes ein, dass Vincent nicht gewillt war, sich aufs Glatteis führen zu lassen. Sie nickte dem Kameramann zu, der daraufhin sein Gerät vom Stativ nahm. Der Assistent begann, das Mikrophonkabel aufzuwickeln.
«Danke, Herr Veih», sagte die Reporterin und wollte sich abwenden.
«Darf ich Sie etwas fragen?», wollte Vincent wissen.
«Bitte.»
«Wie kommen Sie darauf, Castorp sei unschuldig an dem Lauschangriff?»
«Fakt ist, dass die Untersuchung des Falls nicht abgeschlossen ist und die Opposition ein Interesse hat, den Ministerpräsidenten als Bösewicht darzustellen.»
«Beides ist richtig. Aber das macht Castorp noch lange nicht zum unschuldigen Opfer. Ich dachte, Journalisten bemühten sich um Neutralität. Vielleicht bin ich etwas altmodisch.»
Der Ton der Reporterin wurde scharf: «Würden Sie von mir Ratschläge annehmen, wie Sie zu ermitteln haben?»
Vincent musste grinsen. «Natürlich nicht.»
«Sehen Sie. Sie tun Ihren Job, und ich mache meinen.» Das Schwimmbadmädchen hatte rote Wangen bekommen. Sie ließ Vincent stehen und bückte sich nach dem Stativ, um ihrem Team beim Tragen der Ausrüstung zu helfen.
Der Kameramann gab ihm die Hand, ein Schrank von Kerl mit grauem Vollbart. «Gut gemacht», sagte er, dann folgte er den anderen zu dem weißen Kombi mit dem blauen Logo.
26
Vincent eilte zurück ins Gebäude. Dabei kontrollierte er sein Handy und bemerkte, dass er einen Anruf verpasst hatte. Dominik Roth. Vincent rief zurück.
«Was gibt’s?», fragte er.
«Ich war noch einmal in der Staatskanzlei. Fehlanzeige. Die Referentin bleibt steif und fest dabei, dass sie keine Peilung hat, was Castorp an dem Nachmittag in Zürich wollte. Die Börsenstraße sagt ihr nichts, sie sei im Hotel geblieben. Ein gemeinsamer Shoppingausflug scheint demnach auszuscheiden.»
«Und die Koffer?»
«Gehörten auf der Hinfahrt noch nicht zum Gepäck. Castorp hat sie offenbar erst in der Schweiz erhalten.»
«Gute Arbeit, danke.»
Vincent betrat den Paternoster und wählte die Nummer des Pressesprechers.
«Hier Braun.»
«Markus, wir sollen den brutalen Mord so schnell wie möglich aufklären. Du warst dabei, als Schindhelm das gesagt hat.»
«Und jetzt willst du etwas von mir?»
«Hey, du denkst logisch, du solltest zur Kripo wechseln!»
«Schieß schon los.»
«Gestern hieß es in den Nachrichten, dass Journalisten
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