Schwarzlicht (German Edition)
einlassen. Kannst du dem Blitz irgendeine exklusive Information bieten?»
Schon wieder das Handy.
«Einen Moment», sagte Vincent und nahm das Gespräch an.
Martin Kilian, der Staatsanwalt. «Ich habe die Unterschrift des Richters, die Beschlüsse kommen gleich per Fax zu Ihnen rüber.»
«Für alle Büros des Ministerpräsidenten?»
«Wenn Sie wüssten, wie ich dafür kämpfen musste. Ich hoffe, wir können Diskretion wahren.»
«Natürlich, Herr Kilian.»
Vincent hielt die Hand auf das Mobiltelefon und sagte zu Braun: «Ich glaube, ich hätte da etwas für einen Deal mit deinem Lieblingsblatt.»
34
Die Chefredaktion des Blitzes residierte im zweiten Stock über einer Ladenpassage an der Königsallee. Ein Empfangsraum aus grauem Marmor, die Frau hinter dem Tresen wies Vincent den Weg.
Den Flur schmückten großformatige Fotos hinter Glas, die immer den gleichen Kerl mit Prominenten zeigten. Der Typ war dicklich und klein und drängte sich stets in den Vordergrund. Hockte beim Ministerpräsidenten auf der Schreibtischkante, zeigte der Bundeskanzlerin, wo’s langging, wanderte gestikulierend mit RheinBank-Chef Dingendorff auf einem Waldweg.
Dann ein paar Bilder, die nicht zu passen schienen: bärtige Männer mit Gewehren, ein tätowierter Kerl am Rand einer Schlucht. Eine karge Gebirgslandschaft, die sich in Brauntönen faltete, durchzogen von einer endlos langen Staubfahne, die ein Geländewagen aufwirbelte, winzig, ganz weit weg.
«Da war ich 2003», sagte der kleine Dicke, der gerade durch die Toilettentür gekommen war und sich die Hände an seinem weißen Hemd abwischte. «Selbst geschossen, die Fotos. Arschghanistan nannten die deutschen Soldaten das Land. Drogen, Korruption und tägliche Gewalt. Damals schon. Sind Sie der Vincent Veih von der Kripo?»
Vincent bejahte.
Der Chefredakteur der Boulevardzeitung ging voraus durch das Vorzimmer, würdigte die Sekretärin, eine mittelalte, stark aufgebrezelte Blondine, keines Blicks und rief nur: «Kirschen!»
Dann riss er die Tür zu seinem Büro auf. «Heroin-spaziert!»
Die Sekretärin verdrehte die Augen. Vincent folgte Vogel in ein großes Zimmer, das mit reichlich Leder und Chrom im Art-Deco-Stil eingerichtet war. Die Möbel wirkten wie Sammlerstücke. Fast wäre Vincent ausgerutscht – Kirschkerne kullerten über das Parkett.
Vogel ließ sich in seinen Bürosessel fallen, legte die Füße auf den papierübersäten Schreibtisch und begann mit einem Stift zu spielen. «Also, was kriege ich von Ihnen?»
Vincent legte einen Umschlag auf den Tisch. Der Chefredakteur griff danach und zog die Internetfotos der Aktenkoffer heraus.
«Wegen zwei dieser Dinger wurde Castorp mutmaßlich ermordet», erklärte Vincent. «Besser gesagt, wahrscheinlich wegen ihres Inhalts.»
«Wir sollen das abdrucken? Sie wollen, dass die Mitbürger auf solche Koffer achten und bei Ihnen anrufen?»
«Erraten.»
«Ermenegildo Caruso, stimmt’s? Ich besitze auch so ein Teil. Hat mir meine Frau aus Mailand mitgebracht. Penisleder vom Pottwal, oder so.»
«Gratuliere.»
«Diese Bilder geben Sie an alle Medien. Die sind nicht exklusiv. So kommen wir nicht zusammen. Ich bin enttäuscht, Herr Veih.»
«Ich habe noch mehr für Sie, aber zuerst rücken Sie mit Ihrer Information heraus, Herr Vogel.»
«Ich hätte da einen Castorp-Witz.»
«Den mit der Meinungsumfrage in der Staatskanzlei kenne ich schon.»
«Und den mit Petrus? Hab ich neulich in Berlin gehört! Also: Walter Castorp und der Papst sterben etwa zur gleichen Zeit. Petrus schickt Castorp in den Himmel, den Papst in die Hölle. Nach einer Weile bemerkt er den Irrtum und ordert die beiden zurück. Den Papst nach oben, Castorp nach unten. Als sich ihre Wege kreuzen, sagt der Papst zu Castorp, ganz verzückt: Wie ich mich auf die Jungfrau Maria freue! Antwortet Castorp: Ach, da kommen Sie fünf Minuten zu spät.»
Vincent verzog keine Miene.
«Also, ich find den gut.» Der Chefredakteur des Blitzes unterstrich seine Bemerkung mit einem Trommelwirbel seiner Zeigefinger auf dem Schreibtisch.
«Castorp war drei Tage in der Schweiz. Ihr Blatt hat darüber berichtet. Spiegel und Morgenpost auch.»
«Die anderen haben nur abgeschrieben. Wir haben das Material exklusiv.»
«Welches Material?»
Die Sekretärin kam herein und stellte einen Teller mit Kirschen vor Vogel ab. Vincent fiel der enge, kurze Rock der Frau auf, wie die Kostümjacke ganz in Weiß. Während sie hinausging, vorsichtig über die Kerne auf dem
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