Schwarzlicht (German Edition)
Boden stöckelnd, griff ihr Chef rasch nach einer Kirsche, kaute kurz und spuckte ihr den Kern hinterher, ohne sie zu treffen. Die Sekretärin ließ die Tür knallen. Vogel lachte.
Er wandte sich Vincent zu. «Geiler Arsch. Das Gesicht können Sie vergessen, aber der Hintern ist noch immer das Gehalt wert.»
«Von welchem Material sprechen Sie?»
«Eine Detektivin ist Castorp nachgereist. Im Auftrag seiner Frau, die wissen wollte, ob er sie mit seiner Referentin betrügt. So, das war meine Information. Jetzt müssen Sie liefern, das ist der Deal.» Vogel griff nach dem Obst.
«Ich wusste gar nicht, dass Kirschen schon Saison haben», sagte Vincent.
«Eingeflogen.» Der Mann spie den nächsten Kern in Richtung Papierkorb und verfehlte wieder. «Chile, oder so.»
«Simone Castorp ließ also ihren Mann observieren, und die Detektivin hat die Fotos auch an Sie verkauft?»
«Die Vertragsdetails muss ich Ihnen nicht offenbaren. Was bieten Sie mir?»
«Zeigen Sie mir die Fotos.»
Vogel zog eine Schublade auf und streckte ihm Ausdrucke hin. Vincent blätterte: Castorp und Markowitz an verschiedenen Orten. Eine Hotelbar, ein Straßencafé. Vincent war enttäuscht.
«Mehr gibt es nicht?»
«Doch, sicher.»
«Und?»
«Wir verhandeln noch. Miss Marple macht sich wichtig. Aber dieses Zeug ist auch schon ganz gut. Es belegt, dass der Ministerpräsident mit seiner Gespielin in Zürich war. Also?»
Schweren Herzens verriet Vincent die bevorstehende Durchsuchung der Castorp’schen Büros und nannte den Sitz der CDU-Landesgeschäftsstelle an der Wasserstraße als besten Ort für ein Zeitungsfoto. Er hatte das Gefühl, über den Tisch gezogen worden zu sein.
«Ich muss mit dieser Detektivin sprechen», sagte er.
«Das dachte ich mir, dass das jetzt kommt.»
«Wer ist die Frau, wie heißt sie?»
«Informantenschutz. Paragraph dreiundfünfzig StPO, Satz eins, Nummer fünf.» Vogel hob die Hände. «Tut mir schrecklich leid.»
«Sie kennen die Strafprozessordnung auswendig?»
«Den einen Paragraphen.»
Vincent stand auf.
«Hiergeblieben, Veih! Sie müssen mir unbedingt Ihren Witz mit der Meinungsumfrage in der Staatskanzlei erzählen. Den kenne ich nämlich noch nicht!»
Vincent steuerte den Ausgang an. Sein Handy. Dominik, der Neuling.
«Es geht um Körbers Alibi. Ich habe Staatssekretär Meise noch nicht sprechen können, aber sein Büro behauptet, dass Körber den Politiker am Montag durch das Münsterland gefahren hat. Wahlkampftermine vom Nachmittag bis spät in die Nacht. Klingt, als könnten wir ihn nach Hause schicken.»
«Gibt es Belege dafür?»
«Die Frau im Büro hat mir einen Kalender gezeigt, in dem die Termine eingetragen waren.»
«Haben die kein Fahrtenbuch?»
«Offenbar nicht.»
«Ich knöpfe mir Körber noch einmal vor. Bis dahin soll er noch etwas schmoren.»
Vincent steckte das Handy ein.
Fast prallte er gegen einen Kurierfahrer, der aus einem Aufzug gestürmt kam. Der Kerl wirkte ausgemergelt und abgehetzt. Enge Sportklamotten, Fahrradhelm, auf dem Rücken eine Tasche aus rotem Kunststoff. In der Hand hielt er die Hülle einer CD und ein Formular.
«Ist hier die Redaktion des Blitzes ?»
«Ja, aber …»
Vincents Blick fiel auf die Beschriftung der weißen Hülle. Er glaubte, das Wort Schweiz entziffern zu können.
«Können Sie das annehmen?» Der Kurierbote hielt ihm das Formular und einen Stift hin. «Bitte, ich hab noch viel zu tun!»
Vincent drückte den Schein gegen die Wand und krakelte etwas Unleserliches an die Stelle, auf die der Bote mit dem Daumen wies. Im Austausch dagegen erhielt Vincent die Disc.
Während sich die Aufzugtür hinter dem Mann schloss, schaute Vincent sich um.
Kein Mensch hatte ihn beobachtet.
Er drehte den Datenträger in der Hand.
Schweiz etc., 10.–13. Mai.
35
Zurück in der Festung, Vincent fuhr seinen Rechner hoch und rief Dominik Roth an.
«Hat der Staatssekretär das Alibi des Fahrers inzwischen bestätigt?»
«Hab ihn noch nicht erreicht.»
«Lust auf eine Diashow?»
Er schob die CD in das Laufwerk. Mit dem Blick einer heimlichen Kamera folgte er Castorp und seiner Referentin in die Schweiz und fühlte sich wie ein Spanner. Es waren weitere Bilder der Detektivin.
Dominik kam herein. Vincent wies auf den zweiten Stuhl und drehte den Monitor, damit der junge Kollege zusehen konnte.
Der große Audi beim Tankstopp, der Ministerpräsident trug eine Sonnenbrille und verließ seinen Platz hinter dem Steuer nicht. Carmen Markowitz an der
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