Schwarzlicht (German Edition)
neuem Zimmer und öffnete. «Ich brauche dich mal.»
«Gleich.»
«Nein, sofort!»
Unwillig erhob sich der Neuling von seinem Stuhl und folgte Vincent zum Chefbüro. Die Verbindungstür zum Geschäftszimmer stand auf.
Nora rief herüber: «Wie war’s bei Thann?»
«Sollte ich ihn töten, gebt mir wenigstens drei Stunden Vorsprung, ja?»
Vincent schloss die Tür.
Die archivierte Seite des Chateau Bellevue stand noch immer auf dem Schirm. Vincent klickte «Vanessa» an. Nur die untere Hälfte des Gesichts zu erkennen. Knallroter Lippenstift, eine andere Art von Lächeln, trotzdem vielleicht derselbe Mund.
«Du hast zwei Mal mit ihr gesprochen, Dominik. Erkennst du sie wieder?»
«Carmen Markowitz?»
«Was meinst du?»
«Könnte sein.»
«Ja oder nein?»
«Hm, ja. Ich glaube, sie ist es.»
Vincent zählte die Punkte an seinen Fingern ab. «Sie war nervös, als es um die Schweiz ging. Sie hat uns ungefragt ihr Alibi genannt. Und sie hat sich nicht erkundigt, wie Castorp starb, als wüsste sie es längst.»
Er beugte sich über die Tastatur, lud die beiden aussagekräftigsten Fotos auf seine Festplatte und schickte sie per Mail an Staatsanwalt Kilian. Eine Sache von Sekunden.
«Darf ich dich etwas fragen?», ließ sich der Neuling vernehmen.
«Nein.»
«Bist du sauer? Was hab ich falsch gemacht?»
Vincent stellte sich ans Fenster. Hinter den Wohnhäusern der anderen Straßenseite ragte das Stadttor mit der Staatskanzlei auf. Etwa zwei Kilometer weiter befand sich der Rheinhafen samt Osterkamps Bürohaus. Jeder Tatort kam Vincent wie eine Wunde vor. Im schlimmsten Fall wie ein Geschwür, das wucherte, weil die Ermittlungen nicht vorankamen.
«Wir wissen, dass zwei Koffer fehlen», fasste Vincent zusammen. «Castorps Waffe ist auch weg. Wir haben Fotos einer Detektivin, die belegen, dass sich Castorp kurz vor seinem Tod mit zwei Leuten aus Berlin getroffen hat, einem Bundestagsabgeordneten seiner Partei und einem Referenten des Kanzleramts, und wir wissen, dass er dem Abgeordneten am Vorabend eine erpresserische E-Mail geschickt hat. Außerdem vermuten wir, dass Castorps letzte Freundin noch vor zwei Jahren als Nutte in einem Düsseldorfer Edelpuff gejobbt hat.»
Sie standen schweigend da. Blickten einander an, auf den Bildschirm, zu Boden.
Vincent tat es leid, dass er den jungen Kollegen angegiftet hatte.
Dominik räusperte sich. «Hast du die Typen aus Berlin erreicht?»
«Der Abgeordnete behauptet, zur Tatzeit seien sie wieder in der Hauptstadt gewesen. Sag Felix, er soll das checken. Die Namen sind Max Feist und Florian Brennecke. Angeblich sind sie mit Lufthansa geflogen.»
Der Neuling zog einen kleinen Block aus der Tasche, nahm einen Stift von Vincents Tisch und machte sich Notizen.
«Zweitens: Frau Castorp hat keine Detektivin beauftragt. Ich glaube dieser Frau. Die Detektivin hat diesbezüglich gelogen, als sie ihre Bilder dem Blitz verkauft hat. Außerdem könnte es noch Aufnahmen geben, die sie auch der Zeitung vorenthalten hat.»
«Sehe ich genauso.»
«Frau Simoniak meint, der Lauschangriff auf die SPD-Büros sei nur die Spitze eines Eisbergs und die Presse hätte noch etwas in petto.»
«Du führst Gespräche mit der Spitzenkandidatin der SPD?»
«Womöglich haben die Sozis diese Detektivin angeheuert und wollen weitere Fotos bei der Zeitung lancieren. Wir müssen mit ihr reden. Krieg raus, wer sie ist, und mach uns einen Termin bei ihr.»
«Okay. Am besten, ich frag mal beim Blitz , oder was meinst du?»
Das Telefon auf dem Schreibtisch schrillte. Staatsanwalt Kilian war in der Leitung. Vincent drückte die Taste der Mithörfunktion. Er wollte, dass sich Dominik einbezogen fühlte.
«Danke für die Mail», sagte der Staatsanwalt. «Diese Dame aus dem Chateau Dingsbums soll mit Castorps Geliebter identisch sein?»
«Wir nehmen an, dass sie vor zwei Jahren dort gearbeitet hat.»
«Ja, und?»
«Ich bin mir sicher, dass Markowitz uns noch mehr verschweigt. Vielleicht spielt sie sogar eine Schlüsselrolle. Wir brauchen eine Telefonüberwachung. Für den Privatanschluss von Carmen Markowitz, für ihr Handy und für ihren Apparat in der Staatskanzlei.»
«Wie soll ich das dem Richter begründen?»
«Eben mit der Rotlichtvergangenheit dieser Dame. Dass man in dem Milieu die dubiosesten Bekanntschaften schließt, wird wohl auch einem Richter einleuchten.»
«Ich fürchte, dass ihm die zwei Fotos nicht genügen werden. Wie sicher sind Sie sich überhaupt, Frau Markowitz zu
Weitere Kostenlose Bücher