Schwarzlicht (German Edition)
dem Anschlag auf Dingendorff zu stehen.»
«Ich und dieser dilettantische Anschlag? Außerdem war ich Ende Februar gar nicht hier.»
«Erzähl keinen Scheiß.»
Sie schenkte ihm Limonade ein, die sie aus Zitronensaft, Wasser, Minze und irgendeinem fruchtigen Sirup zubereitet hatte. Vincent bemerkte, dass sie zitterte.
Das Telefon im Flur läutete. Brigitte lief hinaus. Nina, dachte Vincent. Oder Jens Künzel, der Anwalt. Von der Unterhaltung bekam er nichts mit.
Sein Blick fiel auf das gerahmte Ausstellungsplakat an der Wand, das beim letzten Mal noch nicht hier gehangen hatte. Schwarzlicht – der Titel rief eine Erinnerung aus früher Kindheit wach, als sie in Hamburg in einer Wohngemeinschaft gelebt hatten: Eine Party wurde vorbereitet, ein Mitbewohner probierte die Beleuchtung aus. Plötzlich versank alles in Dunkelheit, nur was weiß oder fluoreszierend war, erstrahlte umso heller. Brigittes Zähne zum Beispiel. Leider auch die vielen Fussel an Vincents Nickipullover, was ihn erschreckte.
«Je nachdem, wie du eine Sache beleuchtest, werden unterschiedliche Aspekte deutlich», erklärte seine Mutter. «Und wenn es die Leute irritiert, dann bist du der Wahrheit nahe.»
Vincent hatte nicht verstanden, was sie meinte. Den Pulli trug er danach jedenfalls nicht mehr so gern.
«Tatsächlich?», rief Brigitte und kehrte wie verwandelt mit dem Telefon zurück. Vincent bemerkte die lange Strippe. Mein Gott, noch immer der Apparat, den schon die Oma benutzt hatte.
«Mein Sohn ist da. Sag’s ihm. Mir würde er es nämlich nicht glauben.»
Sie reichte ihm den Hörer.
Er meldete sich.
«Doch, es ist wahr, Herr Veih. Ist das nicht großartig?» Es war die Stimme der Kuratorin. Vincent fiel ihr schwarzer Anzug ein und auch ihr Name: Dorothee König.
«Was denn?»
«Sie können Ihrer Mutter gratulieren. Brigitte hat den diesjährigen Preis für Fotokunst der Landeshauptstadt Düsseldorf zugesprochen bekommen!»
Vincent gab den Hörer zurück. «Glückwunsch.»
Seine Mutter war ganz aus dem Häuschen.
«Zehntausend Euro!», rief sie. Dann verabschiedete sie sich rasch und legte auf.
Vincent brauchte nur wenige Worte, um ihre Euphorie zu dämpfen. «Du warst im Februar sehr wohl hier. Damals hat dich der Verfassungsschutz observiert.»
«Ist das wahr?»
«Mein Kripochef hat mir Fotos gezeigt. Liliane Oppers hat dich besucht. Was meinst du, wie peinlich das schon wieder für mich ist? Kannst du nicht endlich aufhören, die Staatsfeindin zu spielen?»
«Welche Liliane?»
«Die Attentäterin.»
«Ach so.»
«Mehr fällt dir dazu nicht ein?»
«Ist das jetzt ein Verhör?»
«Nein, aber ich gebe dir den guten Rat, dass du dich mit deinem Anwalt in Verbindung setzt. Wer auch immer das ist.» Er schmierte sich ein zweites Brot. «Sag ihm, dass die Kollegen wegen Anstiftung und Beihilfe gegen dich ermitteln. Noch ein versuchter Mord, bravo.»
«Aber ich habe wirklich nichts …»
«Psst», machte Vincent. «Ich will das gar nicht hören.»
«Von einer Aktion ist keine Rede gewesen! Das Mädel hat einen ganz vernünftigen Eindruck gemacht. Sie hat sich nur dafür interessiert, wie es damals in Hamburg war. Anfang der Siebziger, die Zeit der legalen Kämpfe, Hausbesetzung, Rote Hilfe. Wie ich Susanne traf, Silke, Sigrid und Karl-Heinz.»
«Karl-Heinz Dellwo? Ist er mein Vater?»
Brigitte schüttelte den Kopf.
«Du hast es also mal wieder genossen, von einem Terroristengroupie angehimmelt zu werden. Alte Heldensagen aufzuwärmen. Du und deine blöde Eitelkeit! Warum kannst du nicht endlich einen Schlussstrich ziehen?»
Seine Mutter schnäuzte sich, die Finger krallten sich um das Papiertaschentuch, die Augen schimmerten feucht. «Ich habe das Mädel nicht angestiftet!»
«Schon gut.» Seine Hand schwebte kurz über ihrer, doch er zog sie wieder zurück.
«Und jetzt?», fragte Brigitte.
Er trank die Limonade aus. «Sie können dir nichts anhaben. Lilly Oppers hat dich offenbar nicht belastet, sonst würden die Kollegen ganz anders vorgehen. Der Transporter da draußen – alles nur Show, um dich einzuschüchtern. Du solltest trotzdem mit deinem Anwalt reden.» Aber nicht mit Jens Künzel, dachte Vincent. Der Typ verstand sich allenfalls auf Familienrecht.
«Manchmal wünsche ich mir echt eine Knarre.»
«Vergiss es. Das ist schon einmal nicht gut gegangen.»
Sie schnäuzte sich noch einmal. «Weißt du noch, als du mich zum ersten Mal im Knast besucht hast?»
«Ja, du hast mich gefragt, welche Bücher
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