Schwarzlicht (German Edition)
hatte er sie an ihrer Wut erkannt. Er sprang aus dem Wagen und schritt ein, als der Rausschmeißer zu einer Ohrfeige ansetzte, die sie mit Sicherheit zu Boden geschleudert hätte.
«Lassen Sie die Frau in Ruhe!»
«Halten Sie sich da raus!»
«Kriminalpolizei.»
«Na und? Die Dame hat hier Hausverbot.»
Vincent starrte den Mann an, der sich besann und ins Blue Velvet zurückkehrte.
«Was machst du hier?», fragte Blümchen.
«Das wüsste ich gern von dir», antwortete Vincent.
Sie bückte sich nach etwas. Als sie sich aufrichtete, humpelte sie. «Mist, ich hab einen Absatz verloren!»
Keine fünf Meter weiter klatschte etwas auf den Gehsteig. Dem Gestank nach war es Kotze. Einer der Halbnackten beugte sich über das Balkongeländer.
Vincent zog Blümchen ins Auto.
50
«Wohin soll ich dich fahren?», fragte Vincent.
Blümchen begutachtete ihren Schuh. Sie trug ein Oberteil aus glänzend weißem Stoff. Ihr Rock war kaum breiter als Vincents Hand. Die Beine steckten in einer Netzstrumpfhose, offensichtlich Arbeitskleidung – dass sie den Absprung aus dem Milieu noch immer nicht geschafft hatte, erfüllte Vincent mit Bitterkeit.
«Arschlöcher!», sagte sie.
«Mensch, Blümchen. Der Laden lebt davon, dass die Kunden Pils für zehn Euro pro Glas schlürfen. Eine Nutte, die hier die Männer abschleppt, stört das Geschäft.»
Blümchen feuerte den Schuh aus dem Fenster. Der Ausschnitt des weißen Shirts klaffte auf. Vincent bemerkte, dass ihre Brüste wie Halbkugeln abstanden.
«Wie nennst du mich?»
«Nutte.»
«Nein, das andere.»
«Was stört dich daran?»
« Blümchen hat seit ewigen Zeiten keiner mehr gesagt.»
«Wo gehst du mit den Typen hin?»
Sie wandte sich ab und ordnete mit den Händen ihr Haar. «Kommt darauf an.»
Vincent verstand. In das Hotel auf der anderen Straßenseite, falls der Freier bereit war, das Zimmer zu bezahlen. Wenn Sparen angesagt war, ging es in den Hinterhof, wo sie sich über die Mülltonne bückte. Oder nach Hause, wo Felicitas alles mitbekam.
«Es ging dir schon mal besser», sagte er.
«Auf und ab, das ist doch immer so.»
«Und deine Tochter?»
«Lass Feli aus dem Spiel.»
«Ich dachte, sie ist bei deiner Mutter.»
«Mom ist tot.»
«Tut mir leid.»
Vor acht Jahren war Felicitas noch ein kleines Kind gewesen. Jetzt musste das Mädchen fast so alt sein wie Blümchen, als er ihr zum ersten Mal begegnet war. Vincent versuchte, im Gesicht der Frau neben ihm den Engel von damals wiederzufinden. Immerhin schien sie nicht unter Drogen zu stehen.
«Was guckst du?»
«Du hast dich gut gehalten.»
«Danke.»
«Aber warum hast du dir die Brüste machen lassen?»
«Da war ein Typ, der wollte das so.»
«Aha.»
«Er hat mich aus’m Puff rausgeholt. Kennst du Pretty Woman , den Film?»
«Klar.»
«Bloß dass in meinem Fall der Typ mich wegen einer miesen Schlampe wieder sitzengelassen hat. Nur eine Woche nach der OP. Die Dinger waren noch ganz geschwollen und violett wie Auberginen. Aber jetzt …» Sie drückte ihren Oberkörper nach vorn. «Fass mal an, gar nicht übel.»
«Wohin, Blümchen?»
Sie lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen, als müsse sie nachdenken. «Konkordiastraße.»
Vincent startete den Wagen.
An einem Büdchen nahe der Bilker Kirche bat sie ihn anzuhalten. Vincent wartete zwei Minuten, dann kam Blümchen mit ihrem Einkauf zurück. Weißwein und Kartoffelchips.
«Ich hatte noch kein Abendessen», erklärte sie, schraubte die Flasche auf und nahm einen Schluck. Dann hielt sie Vincent die Flasche hin.
Er ignorierte das Angebot und fuhr los.
«Bist du immer noch Bulle?»
«Der Typ, wegen dem du deine Brüste ausgestopft hast, war das zufällig ein Fußballspieler?»
«Meine Titten gehen dir nicht aus dem Sinn, stimmt’s?»
«Hieß er etwa Mike Dollinger?»
«Woher weißt du das?»
«Er war dein Kunde im Chateau Bellevue , richtig?»
«Hast du mich all die Jahre bespitzelt, oder was?»
«Vor zwei Jahren, du erinnerst dich sicher noch an die Namen deiner Kolleginnen dort. Eine von den sechs Stammkräften. Keine dreißig, das Haar schulterlang, blond, Seitenscheitel. Und unter dem Auge hat sie eine kleine …»
«Vanessa, die miese Schlampe!»
«Ach, so ist das?» Vincent warf ihr einen Blick zu. «Sie war es also?»
«Zeig ihr einen Kerl mit Ferrari, und sie lässt nicht locker, bis sie ihn rumkriegt. Blöde Pickelfotze! ‹Mike ist meine große Liebe›, hat sie mir vorgeheult, so ein Schwachsinn! Du hättest ihr
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