Schwarzlicht (German Edition)
Faxantwort des Landesamts für zentrale Dienste vom vergangenen Nachmittag. Die identische Liste, Name und Anschrift des Exfußballers mit schwarzem Filzstift eingekreist. Vincent ging die Daten ein zweites Mal durch, stieß aber auf keinen weiteren Namen, der ihm etwas sagte.
Er entdeckte mehrere Protokolle und überflog sie. Da: Mike Dollinger trug einen Aktenkoffer bei sich, als er durch den Garten floh . Weitere Augenzeugen hatten die Beobachtung bestätigt. Dollinger sei im Hinterhof mit einem kleinen Koffer über die Garagen geklettert und durch die Toreinfahrt des gegenübergelegenen Hauses entkommen. Dollingers Freundin hatte das Gepäckstück genauer beschrieben: dunkelbraun mit Messingbeschlägen, elegant .
Ermenegildo Soundso, die Beute aus dem Überfall bei Castorp – Vincent hätte jede Summe darauf gewettet, und offenbar hatten Thilo und Felix denselben Schluss gezogen.
Vincent rief beim Landeskriminalamt an und ließ sich mit dem Beschusslabor verbinden.
«Habt ihr die Projektile von der Schießerei in Oberkassel schon untersucht?»
«Mit wem spreche ich?»
«Vincent Veih, Leiter KK11.»
«Hat dir dein Mitarbeiter nicht Bescheid gegeben?»
«Sag schon, was habt ihr herausgefunden?»
«Identische Waffe. Aber glaubt nicht, dass wir beim nächsten Mal wieder für euch die halbe Nacht vor dem Mikroskop sitzen. Walter Castorp bleibt ein Sonderfall.»
«Der Täter hat also tatsächlich die Ceska des Ministerpräsidenten benutzt?»
«Richtig. Wie dein Mitarbeiter vermutet hat. Sag mal, tauscht ihr euch denn gar nicht aus?»
Vincent legte auf. Er stapelte Thilos Unterlagen auf einen Haufen, sammelte ein, was auf dem Stehpult lag, und trug alles in sein eigenes Zimmer.
Das giftigste Reptil von allen .
Am liebsten hätte sich Vincent mit einem Paar Hanteln abreagiert. Seine Muskeln gequält, um die Wut zu zügeln.
Nora rief herüber: «Der Inspektionsleiter hat nach dir gefragt.»
«Danke.»
«Darf ich erfahren, was los ist?»
Vincent trat in die Verbindungstür. «Thilo versucht, mich auszubooten. Aber den Spieß drehe ich um.»
57
Kriminaloberrat Thann reckte das Kinn und schob einen zweiseitigen Brief über den Tisch. «Für Ihre Akten. Das war Ihnen gestern doch so wichtig, nicht wahr?»
Vincent nahm das Schreiben entgegen. Es war an den Polizeipräsidenten adressiert. Ganz oben prangte ein Eingangsstempel mit Datum von heute und Schindhelms Namenskürzel.
Absender war eine Anwaltskanzlei, sie vertrat den Bundestagsabgeordneten Max Feist sowie den Kanzleramtsmitarbeiter Florian Brennecke. Die beiden ließen mitteilen, dass sie am Montag dieser Woche um die Mittagszeit den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Walter Castorp in Düsseldorf aufgesucht hätten, um ihm die Haltung der Kanzlerin zum angeblichen Lauschangriff gegen die Opposition zu übermitteln, insbesondere ihren Rat, wie mit der Öffentlichkeit umzugehen sei. Die Unterredung habe rund dreißig Minuten gedauert, und man sei in bestem Einvernehmen auseinandergegangen. Dafür, dass sie zur Tatzeit bereits wieder in der Hauptstadt weilten, waren Alibis aufgelistet, Orte und ein paar Namen möglicher Zeugen. Natürlich stünden die beiden Mandanten gern für eine ausführliche Befragung zur Verfügung – nach dem Wahlsonntag könne man einen Termin vereinbaren.
Bullshit, dachte Vincent.
«Die angebliche Spur in die Politik hat sich also erledigt», bemerkte Thann.
«Finden Sie?»
«Dank Thilo Beckers Ermittlungserfolg wissen wir endlich, wer Walter Castorp wirklich auf dem Gewissen hat.»
«Ermittlungserfolg? Der Kollege hat Informationen unterschlagen und damit die Arbeit meiner Dienststelle behindert. Mike Dollinger ist entwischt. Von einem Erfolg kann keine Rede sein!»
«Nur noch eine Frage der Zeit, bis wir den Flüchtigen haben.»
«Ich verlange, dass Becker unverzüglich aus dem KK11 …»
«Langsam, Herr Veih. Ich will Ihren Anteil keineswegs schmälern, nicht wahr. Sie haben keine Überstunde gescheut. Dafür gönnen Sie sich jetzt ein paar freie Tage. Der Fall ist beim Kollegen Becker in guten Händen.»
«Das ist nicht Ihr Ernst.»
«Kommt von ganz oben. Ich bin nur der Überbringer.»
«Ach ja? Das lasse ich nicht mit mir machen.»
«O-Ton Polizeipräsident Schindhelm höchstpersönlich: Wenn dieser Sohn einer Terroristin sich im Bewerbungsverfahren um den Posten des KK11-Leiters noch eine Chance bewahren will, soll er verflucht noch mal tun, was wir von ihm erwarten. Ist das deutlich genug
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