Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Ufer
wischte eine Frau die Bänke trocken. Der angekündigte Heidelbeerstrudel lockte,
Berenike folgte kurzentschlossen dem Ruf, nahm auf der Terrasse Platz und
bestellte Kaffee zum Kuchen. Kurz erholen, einen Moment nur. Die Kellnerin
musterte sie forschend, kommentierte Berenikes verdrecktes Outfit aber nicht.
Nebenan an der Schiffsanlegestelle wartete bereits ein Grüppchen Touristen auf
die Dreiseentour zum Traunursprung. Ein paar Enten schwammen quakend näher. Die
füllige ältere Bedienung, vielleicht war sie die Besitzerin, fütterte sie mit
Brot.
»Können Sie mir bitte helfen?« sprach Berenike sie von hinten
an. »Ich such den Ortsteil Mosern.«
»Der ist da oben, Richtung Trisselwand, aber sehr verstreut.«
Die Frau sah sie fragend an.
»Ich suche das Haus von Robert Rabenstein.«
Die Hand mit dem Brot verharrte in der Luft. Die Enten
quakten lauter. Die Frau starrte Berenike aus verwaschenen blauen Augen an.
»Hausnummer 189, soviel ich weiß.«
Die Miene der braun gebrannten Kellnerin veränderte sich.
Bestimmt war sie die Besitzerin, wer konnte sich in so einem kleinen Betrieb
schon eine Angestellte leisten? »Den suchen Sie? Der ist tot! Ermordet, wies
heißt. Was musste er sich auch überall einmischen. In Dinge, die längst ruhen
sollten.« Ohne Vorwarnung griff sie nach der Kaffeetasse auf dem Tisch. »Fertig?«
Berenike nickte. Die Bedienung stampfte davon. Geschirr
schepperte.
Berenike legte das Geld abgezählt auf den Tisch. Langsam fuhr
sie den Hügel bergauf, suchte nach den Hausnummern. Wenn man einen Ort nicht
kannte, war es schwer, sich anhand der Nummern zurechtzufinden. Hier folgten
sie keiner erkennbaren Logik. Hausnummer 12 konnte neben 100 stehen, dann ging
es weiter mit 53. Berenike war an das klare System in Wien gewöhnt, dort fingen
die Nummern in jeder Gasse mit 1 an, und zwar ausgehend vom Zentrum. Auf den
linken Straßenseiten die ungeraden Ziffern, rechts die geraden.
Grundlsee nervte sie überhaupt, dieses seltsame Straßendorf.
In Altaussee dagegen pulsierte das Leben, sein wie tausend Kristalle
glitzernder See war eine echte Bereicherung.
Jetzt gab auch noch das Motorrad komische Geräusche von sich.
Hoffentlich konnte sie das Service noch hinauszögern, bis der Salon besser
lief. Sie arbeitete viel, zu viel vielleicht. Aber das war alles trotzdem
besser als vor ihrer Flucht hierher. Ausgebrannt hatte sie sich längst gefühlt.
Dabei war sie gut im Organisieren, liebte öffentliche Auftritte. Heute wunderte
sie sich, wie sie als Eventmanagerin die langen Arbeitstage ertragen hatte.
Dazu die häufigen Treffen am Abend. Dass ihr früherer Boss Brian Skerczan das
alles immer noch aushielt, grenzte für sie an ein Wunder. Er war, nach allem,
was sie hörte, besser denn je zuvor im Geschäft. Jene Geschichte hatte seiner
Agentur nicht geschadet. Im Gegenteil: Er hatte den Rummel zu seinem Vorteil
genutzt. Frauenfeindlich? Er doch nicht! Das konnte nur eine Überreaktion der
gegnerischen Seite sein.
Sie spürte, wie sie innerlich wieder vor Wut zu kochen
begann. Dass gerade sie an so einen Kunden geraten war. Und jetzt dieser Mord!
Wenn die Polizisten nur ihre Vergangenheit ruhen ließen.
»Oooom«, sie musste ruhiger werden, damn it. Ihr fehlte in
der Tat ein Schutzamulett gegen die bösen Energien, die der Polizist
ausstrahlte. Berenike blickte auf das graue Gestein, das sich vor ihr erhob,
das musste die Trisselwand sein. Nur nie wieder als Angestellte arbeiten! Heute
konnte sie als Chefin jeden unangenehmen Menschen einfach hinauswerfen. Nicht
so wie damals …
Sie wollte den Gedanken abschütteln, aber das Bild schob sich
wie so oft vor ihr inneres Auge. Wozu ließ sie sich auf den ganzen Esoterikkram
ein, wenn ihr nichts davon half, wenn sie trotzdem so sehr leiden musste? Sie
bog um eine weitere Kurve, eine Katze huschte über die Straße. Der See lag
jetzt weit unter ihr. Ihr Blick fiel auf die Hausnummer 189.
11
Apfelmost, hausgemacht
Zwei Stunden später vibrierte das Motorrad
wieder unter Berenike, als sie zurück nach Altaussee fuhr. Die Sonne tauchte
das Panorama in kitschiges Licht. Berenike fühlte sich erleichtert, endlich
kamen ihre Ermittlungen in Gang und sie konnte sich ein Bild von der
Persönlichkeit des Toten machen. Obwohl sie bereits einiges über den
Journalisten gewusst hatte, war sie erstaunt über das, was sie soeben über den
Menschen Rabenstein erfahren hatte. Nicht alles gereichte
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