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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Ivo vermochte es nicht, ihn aufzurichten, denn selbst ihm hatte Clemens den ganzen Verlauf seiner Sündhaftigkeit nicht zu bekennen gewagt. –
    Wiederum nach der Vacanz war Clemens ganz verwandelt. Er sah wohl blühend aus wie zuvor, aber aus seinem Auge leuchteten geheimnisvolle Flammen.
    Einst zog er im Burgholz, in dem nahen Walde, seinen Freund an die Brust und sagte: »Ivo, danke Gott mit mir, er hat mir die Gnade wiedergegeben. Unsere Schuld ist's, wenn der Herr nicht Wunder an uns thut, weil wir uns nicht reinigen zu Gefäßen seines unerforschlichen Willens. Ich habe gelobt, Missionär zu werden und den Wilden das Heil der Welt zu verkünden. Ich habe sie wiedergesehen, die meine Seele dem Herrn gestohlen hatte, aber mitten in ihrem Anblicke verschwand die Welt vor meinen Augen, der Allbarmherzige legte seine Hand auf mich und rettete mich. Er zog mich hinauf auf den Berg. Dort saß ich, bis die Sonne verglühte und die Nacht hereinbrach. Alles umher war still und todt. Da hör' ich plötzlich jenseits im Walde die Stimme eines Singenden; das waren nicht irdische Töne:
     
    ›Wol nach dem heißen Afrika.‹
     
    Ich kniete nieder, und der Herr vernahm mein Gelöbniß. Das Herz war mir aus dem Leibe genommen, ich hielt es in der Hand. Ich küßte den Fels unter mir und den Baum neben mir, und ich habe den Geist Gottes aus ihnen in mich eingesogen; ich hörte die Bäume schauern und die Felsen in verhaltenem Harme klagen, sie weinen und trauern und harren des Tages, da das Kreuz geworden ist der Lebensbaum, aufgerichtet zwischen Himmel und Erde, da der HERR HERR wieder erscheint und die Welt erlöst ist, da werden die Felsen freudig hüpfen und die Ströme freudig jauchzen.«
    Clemens kniete nieder und fuhr dann fort: »Herr! Herr! begnade mich! lege deine Worte auf meine Zunge, würdige mich der seraphischen Liebe, gieße deine Gnade aus über meinen Herzbruder, zerbrich ihn, daß er mitfühle die Schwerther, die durch deine Brust gegangen und die das Herz der Welt zerschneiden. Ich danke dir, o Herr! daß du mich mit der heiligen Armuth vermählt; ja, ich will mich ganz weihen der glückseligen Thorheit und will mich schmähen und martern lassen, bis die Hütte meines Leibes wieder abgebrochen wird, bis ich die Verwesung dieses Lebens vollendet habe. Herr! Du hast mich reich gemacht, damit ich werde der Armen einer. Selig sind die Armen, selig sind die Kranken!«
    Clemens küßte die Füße seines Freundes, lag dann noch eine Weile, das Haupt auf den Boden gedrückt, dann stand er auf, und die beiden gingen still heimwärts.
    In der Seele Ivo's bebte namenlose Furcht; wohl fühlte er die Macht des Opfermuthes, die über Clemens gekommen war, aber er sah auch ihre schrecklichen Verirrungen – er fühlte ein Schwerth durch sein Herz fahren.
    Willig folgte er seinem Freunde in die Nachtgebiete menschlichen Lebens und Wissens; es war ihm, als müsse er ihn stets begleiten, um zur Hülfe bereit zu sein.
    Das Leben der Heiligen war es, was sie vor Allem durchforschten. Ivo sagte einmal: »Ich freue mich der Erkenntnis, daß die Offenbarung fort und fort durch die Menschheit geht; Heilige erstehen, denen sich der Herr geoffenbart und ihnen die Wunderkraft verliehen, und wer sich recht heiligt, dem kann es durch die Gnade werden. Jetzt hat wiederum jede Stadt und jedes Land seinen wahren Heiligen, wie einst die Griechen die falschen Götter. Gott ist überall leibhaftig nahe.«
    Clemens küßte, ohne zu antworten, die Stirn Ivo's. Nach einer Weile aber sprach er mit feuriger Zunge von den Helden, die mit leerer Hand die Welt erobert und bewältigt.
    Das Leben des heiligen Franz von Assisi nahmen sie mit besonderer Innigkeit in sich auf, seine Bekehrung vom brausenden Weltleben und die Art, wie er zuerst einen Aussätzigen durch seinen Kuß geheilt, zog Clemens besonders an. Ivo aber erquickte sich an der kindlichen Einheit des Heiligen mit der Natur und seiner Wundermacht über sie: wie er einst den Vögeln gepredigt, daß sie das Lob Gottes singen sollen, wie sie stille horchten, bis er das Zeichen des Kreuzes über sie gemacht und sie gesegnet, und sie dann ein schmetternd Lied erschallen ließen; wie er mit einer Nachtigall einen Wett- und Wechselgesang zum Lobe Gottes bis zum Abend fortsang, wie er dann ermüdet war, so daß der Vogel auf seine Hand geflogen kam, damit er ihn segne. Bei der Erzählung von dem Lamme, das der Heilige von der Schlachtbank gerettet und das jedesmal im Chore beim Gesange

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