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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wiederum fast immer zu Hause; hier war jetzt ein seliges Leben, Valentin war wie ausgewechselt, kein lautes Wort wurde vernommen, ein jedes behandelte das andere liebreich und zart, es war wie ein steter Palmsonntag aus der Kinderzeit. Aber all diese Ruhe erregte auch in Ivo eine Unruhe, all diese Freude erweckte ihm auch Schmerz und Unfrieden; er erkannte deutlich seine einsam verkümmerte Zukunft, ihm war kein so seliges Leben beschieden.
    Zwei gewichtige Ereignisse erhöhten noch das Leben dieser Vacanz; der Johannesle hatte für seinen Constantin ein Haus bauen lassen, Valentin hatte es mit seinen Söhnen aufgerichtet, und Joseph, der in diesen Tagen Meister wurde, hielt den Bauspruch.
    Das ganze Dorf war vor dem Hause versammelt, Meister und Gesellen standen hoch oben und steckten die junge Tanne, mit Bändern aller Art geschmückt, auf die Spitze des Giebels. Alles war gespannt auf den ersten Spruch Joseph's. Nach einem einfachen Gruße sagte er:
     
    Allhier bin ich aufgestiegen und geschritten,
    Hätt' ich ein Pferd gehabt, so wär' ich heraufgeritten;
    Weil ich aber hab' kein Pferd,
    So ist es nicht viel sagenswerth.
    Das höchste Haupt, der Kaiser gut,
    Den Gott erhalt' in seiner Hut,
    Ja, alle Fürsten, Grafen und Herren
    Das ehrbar' Zimmerhandwerk nicht können entbehren.
    Ein Zimmergeselle bin ich genannt,
    Ich reise [wie] Fürsten und Herren durchs Land,
    Dasselbe mit Fleiß zu besehen,
    Daß ich einmal möchte bestehen.
    Wann ich hätte aller Jungfrauen Gunst
    Und aller Meister ihre Kunst
    Und aller Künstler ihren Witz,
    So wollt' ich ein Haus bauen auf eine Nadelspitz';
    Weil ich aber dasselbe nicht thun kann,
    So muß ich bauen nach einem guten Plan.
    Wer da will bauen auf Gassen und Straßen,
    Der muß einen jeden können reden lassen.
    Ich lieb', was fein ist,
    Wann's gleich nicht mein ist;
    Wann mir's gleich nicht werden kann,
    Hab' ich doch Lust und Freud' daran.
    Drauf trinket ein Gläselein Wein,
    Kamerad, schenk mir drauf eins ein.
    Bauherr! ich bring's Euch aus Lieb' und Freud',
    Nicht aus Haß oder großem Neid,
    Sondern aus Lieb' und Freundlichkeit.
    Auf unsers Kaisers feine Tapferkeit!
    Auf seines Feindes Verderblichkeit,
    Auf hiesiger Herren Gesundheit
    Und aller guten Freunde insgemein,
    Die hier unten versammelt sein.
    Jetzt trink' ich über euch allen,
    Gebt acht! das Glück wird hinunterfallen,
    Hinunter ist gar gefährlich
    Und euch herauf beschwerlich.
    Ich will mich jetzt eins bedenken
    Und das Glas hinunterschwenken.
     
    Joseph trank, das Glas fiel hinab, und ein hundertstimmiges Hoch erschallte. Dann sprach er wieder:
     
    Durch Gottes Hülfe und seine Macht
    Haben wir diesen Bau zu Stande bracht,
    Drum thun wir dem lieben Gott danken,
    Daß er keinen hat lassen wanken;
    Daß keiner ist in Unglück kommen,
    Und daß keiner kein' Schaden genommen;
    Auch thun wir den lieben Gott noch bitten:
    Er wolle uns ferner in Gnaden behüten;
    Nun befehl' ich diesen Bau in Gottes Hand,
    Dazu auch das ganze Vaterland.
    Auch wünsch' ich daneben unserm Bauherrn im neuen Haus
    Gut Nahrung von denen, die gehen ein und aus;
    Und so wünsch' ich allen insgesamt
    Glück, Segen und Heil zu allem Stand.
    Ich hätt' mich bald hoch vermessen
    Und der viel ehr- und tugendsamen Jungfrauen vergessen,
    Die uns diesen Kranz haben formiert
    Und mit schöner Lieberei geziert;
    Ich dank' für alle diese Liebereien gut,
    Die werden uns hübsch stehen aufm Hut.
     
    Mit dem Rosmarinstrauße auf dem Hut und dem unverschnittenen Felle angethan, kam Joseph herab und wurde von allen beglückwünscht und gepriesen, selig aber faßte seine Braut, des Hansjörgs Mareile, seine beiden Hände, sah ihm freudeverklärt in das Antlitz und blickte dann siegesfroh nach den Umstehenden.
    Ivo stand daneben, und Joseph sagte: »Gelt, Ivo, ich kann auch predigen, wenn's sein muß? Das ist mein' Primiz.«
    Ivo seufzte tief, da er an die Primiz erinnert wurde.
    Als alles sich entfernte, ein Teil heimwärts, ein anderer zum Schmause ging, ließ sich Ivo durch kein Zureden Constantins zu letzterm bewegen; er stand noch eine Weile allein vor dem luftigen Gebälke und dachte darüber nach, wie glücklich der Constantin bald sein werde, der nun schon ein Haus sein eigen nannte. »So ein Pfarrhaus,« sagte er dann vor sich hin, »ist wie ein Schilderhaus, das gehört niemand, keiner hinterläßt eine echte Spur seines Daseins, da zieht eine andere einsame Wache auf, bis wieder eine kommt und ablöst; doch ich will nicht selbstisch sein,

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