Schwarzwaelder Dorfgeschichten
wird mir auch das Glück des Familienlebens nicht, ich will für andere arbeiten und an den Spruch denken:
Ich lieb', was fein ist,
Wann's gleich nicht mein ist;
Wann mir's gleich nicht werden kann,
Hab' ich doch Lust und Freud' daran.
Acht Tage später war nun auch die Hochzeit Joseph's. Da ging es lustig her, die Mutter Christine saß obenan neben ihrem Sohne Ivo, dieser war und blieb der Stolz der Familie. Ivo tanzte dann einmal mit seiner Schwägerin, hierauf aber auch mit Emmerenz; sie war ganz selig und sagte: ›So, Jetzt haben wir doch auch einmal mit einander getanzt; wer weiß, ob wir noch im Leben dazu kommen.‹«
Nun brachte der zweitälteste Bruder Ivo's ihm seinen Schatz und sagte: »Tanzet mit einander.«
Ivo willfahrte gern. Als er geendet, kam die Mutter Christine auf ihn zu und sagte: »Du tanzst ja prächtig, wo hast's denn gelernt?«
»Das kann ich noch von meiner Jugend her; wisset Ihr, die Spinnerin hat mich's als zwischen Licht gelehrt.«
»Wollen wir's auch einmal probieren?«
»Ja, Mutter.«
Alles hielt aus, während Ivo mit seiner Mutter tanzte.
Jetzt erhob sich Valentin, schnalzte mit den Fingern und rief:
»Spielleut'! einen Vortanz für mich, es gibt eine Bouteill'. Komm, Alte.« Er nahm seine Frau am Arm, hüpfte und sprang, dann tanzte er den alten Nationaltanz: er schnalzte mit der Zunge, schlug sich auf Brust und Schenkel, wiegte sich bald auf den Zehen, bald auf den Fersen und führte allerlei Figuren auf; bald faßte er seine Tänzerin, bald ließ er sie wieder los und trippelte mit geneigtem Kopfe und ausgestreckten Armen ganz verliebt um sie herum. Christine sah mit züchtiger Andacht, aber doch freudevoll zur Erde, drehte sich oft und oft, fast ohne sich von der Stelle zu bewegen. Sie hielt ein Ende ihrer Schürze anmuthig in der Hand und schlüpfte bald unter dem rechten, bald unter dem linken Arme ihres Mannes durch, bald drehten und wendeten sich Beide unter den erhobenen Armen hinweg. Mit einem Hops, von dem der ganze Boden zitterte, beschloß Valentin den Tanz.
So war diese Vacanz voll Freude im Hause und außer demselben.
Fußnoten
1 Bruder.
2 Gottessohn.
3 Dinkel, Roggen.
14.
Der Zerfall.
Von allen diesen Freuden weg mußte Ivo aber- und abermals in das Kloster. Er traf Clemens nicht mehr. Dieser hatte die Erlaubniß erhalten, ein Jahr früher auszutreten, um sich in ein königlich bayrisches Kloster zu begeben.
Einen neuen Schmerz erfuhr Ivo in dem Schicksal Bartels, den wir mit ihm seit einiger Zeit aus den Augen verloren haben. Der gutmüthige Jüngling hatte sich seit lange im voraus einem geheimen Laster ergeben, das seine ganze Körperkraft unterwühlte; er kaute immer an den Nägeln und dann rieb er sich wieder die Hände, als ob es ihn friere, sein Gang war schwankend und unstät, die Farbe seines Gesichts war weißlichgrün, eingefallene Wangen, eine rothe Nase und der stets weit aufgerissene Mund machten den lang aufgeschossenen, lendenschwachen Jüngling zu einer Schreckgestalt. Er war dem Blödsinn nahe und wurde nun im Lazarett untergebracht. Man wollte noch den Versuch zu seiner Herstellung machen und ihn andernfalls aus dem Kloster entlassen. Ivo schauderte, als er ihn besuchte, denn die einzelnen kräftigen Erhebungen Bartels waren nur dazu, um sein eigenes Thun mit den heftigsten Gewissensbissen anzuklagen.
Immer mächtiger drängte Alles auf Ivo herein, die Luft um ihn her schien ihm verpestet. Er schrieb endlich einen Brief an seine Eltern, worin er ihnen seinen unabänderlichen Entschluß eröffnete, aus dem Kloster auszutreten, denn er könne nicht Geistlicher werden; weiter ließ er sich auf keine Erörterung der Gründe ein, denn er wußte wohl, daß diese doch nichts verschlagen würden, auch hätte man ihn gottlos gescholten, wenn er sie darlegte, und das hätte doppelten Schmerz gebracht. Mit fester Hand schrieb er den Brief, mit zitternder aber warf er ihn im Abenddunkel in die Brieflade. Als er das Papier den Schieber hinabgleiten hörte, war es ihm, als ob sein vergangenes Leben damit in's Grab hinabsinke, und jedes Leben, sei es auch noch so schmerzlich und verloren, krümmt sich im Tode; entschlossen richtete er sich dann wieder auf, der Zukunft entgegen schauend.
Einige Tage später erhielt Ivo Besuch von seinen Eltern. Sie nahmen ihn mit in das Wirthshaus zum Lamm. Dort ließ sich Valentin ein Zimmer anweisen, und als sie alle darin waren, verriegelte er die Thüre.
»Was geht mit dir
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