Schwarzwaelder Dorfgeschichten
gönnen.
Emmerenz und Ivo wechselten ab, um bei der Mutter zu wachen, und diese sagte manchmal: »Ihr seid liebe, brave Kinder, unser Herrgott wird's euch g'wiß gut gehen lassen.«
Oft auch, wenn die Mutter schlief und das Eine kam, um das Andere abzulösen, redeten sie noch lange mit einander. Ivo offenbarte der Emmerenz den tiefsten Wunsch seiner Seele nach einer anstrengenden Arbeit, und sie sagte: »Ja, ich kann mir's denken, ich könnt' nicht leben, wenn ich nicht recht tüchtig zu schaffen hätt'; ich will mich nichts berühmen, aber im Schaffen nehm' ich's mit einer jeden im Dorf auf.«
»Und wenn du erst ein eigen Hauswesen hättest, gelt, da thätest du erst rechtschaffen arbeiten?«
»Ja,« sagte Emmerenz und streifte ihre kurzen Hemdärmel noch besser hinauf und straffte ihre kräftigen Arme, gleich als müsse sie jetzt augenblicklich zugreifen. »Ja, wenn das wär'! aber es ist mir auch so kein' Arbeit zu viel.«
»Nun,« sagte Ivo, »denkst du denn auch als etwas bei der Arbeit?«
»Ja, g'wiß.«
»Was denn?«
»Was einem eben so in den Sinn kommt, ich hab' mich noch nie darum besonnen.«
»Nun sag mir's zum Beispiel.«
»Ja, da weiß ich nichts.«
Das sonst so zuversichtliche Mädchen wußte sich vor Verlegenheit gar nicht zu helfen.
»Schämst du dich, mir's zu sagen?«
»Kein Brösele, aber ich weiß halt nichts.«
»Nun, was hast du heut morgen beim Dinkelschneiden 3 gedacht? was für Gedanken sind dir durch den Kopf gegangen?«
»Ja, da muß ich mich besinnen, du darfst mich aber nicht auslachen.«
»Nein.«
»Zuerst hab' ich, glaub' ich, an gar nichts gedenkt. Du könntest mich drauf rädern, es fällt mir nichts ein. Ja doch, ich hab' dacht, wie lang wir da zu schneiden haben. Hernach bin ich auf ein Wachtelnest gestoßen, da sind ganz junge Vögele drin gewesen; jetzt hab' ich's auf die Seite than, daß es die Buben nicht kriegen. Jetzt hätt' ich gar zu gern die Alten gesehen, wie die sich wundern, wenn auf einmal ihr Haus an einem andern Fleck steht. Jetzt ist mir das Lied vom Nazi eingefallen, du kannst's ja auch so schön singen, das von der armen Seel'. Jetzt hab' ich so dacht: wo mag auch der Nazi sein? Jetzt, ja, jetzt hab' ich dacht: es ist gut, daß bald Mittag ist, denn ich hab' einen wetterlichen Hunger gehabt. So, das ist Alles. Gelt, das ist nicht viel?« Scheu zupfte das Mädchen an seinen Kleidern und wollte den Blick gar nicht erheben. Ivo fragte nun wieder:
»Denkst du denn nicht auch als daran, wie wunderbar es ist, daß Gott das Samenkorn, das der Mensch säet, siebenfältig aufschießen läßt, daß die Saat unter dem Schnee schläft, bis die Frühlingssonne sie weckt – wie viel Millionen Menschen sich schon von dem Safte der Erde genährt und ihn doch nie erschöpfen?«
»Jawohl, das hab' ich auch schon denkt, aber von ihm selber wär' ich nicht drauf kommen; der Pfarrer hat das auch oft in der Predigt und in der Christenlehr' gesagt. Guck, wenn man selbst so viel mit dem Sach' zu schaffen hat, da kommt man auf keine solche Gedanken, da denkt man halt: ist's bald zeitig, und gibt's viel aus? Die Pfarrer, die nicht im Felde schaffen, die keinen Dung 'nausführen und nicht dreschen, die kommen eher auf solche Gedanken.«
»Du mußt sie auch öfter aufsuchen, dann findest du sie von selber, thu das, Emmerenz.«
»Jawohl, das will ich, du hast recht, es ist immer gut, wenn man einen ermahnt. Wenn du mich wieder fragst, wirst sehen, kann ich dir mehr sagen; ich bin nicht so dumm.«
»Und recht lieb,« sagte Ivo. Er wollte ihre Hand fassen, hielt aber schnell wieder an sich; dessen aber konnte er sich nicht erwehren, daß er das kernhafte Wesen des Mädchens immer mehr liebte. – –
Mit tief erschütterter Seele kehrte Ivo wieder in das Kloster zurück. Er bewunderte die Heldenkraft seiner Mutter und gelobte sich, ihr nachzustreben; aber noch anderes bewegte seine Brust: das Paradies seines elterlichen Hauses war aus Schmerz und Qual vor seinen Augen wiedererstanden. Er erkannte, welch eine unversiegbare Seligkeit es ist, wenn zwei liebende Herzen fest aneinander halten und im ewigen Wechsel des Lebens sich traut aneinander schmiegen. Der mächtig zurückgehaltene ewige Schmerz trat hervor. Er dachte an Emmerenz – und im dunkeln Tannenwalde saß er und weinte. Drunten im Thale schrillten die grellen Töne einer Sägemühle; Ivo wünschte, daß dies die Bretter zu seinem Sarge sein möchten, die man dort bereite. – –
In der nächsten Vacanz war Ivo
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