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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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braucht's da viel? Liebe Gott und liebe deinen Nächsten. Punktum.«

    So erzitterte und erbebte das ganze Wesen Ivo's. Der Gedanke an Emmerenz jagte ihm oft Fiebergluthen in das Antlitz, und dann überrieselte ihn wieder Eiseskälte, wenn er an sein Schicksal dachte.
    Ivo dachte nun viel darüber nach, wie er den Eltern seinen unabänderlichen Entschluß, aus dem Kloster zu treten, mittheilen wolle; es war schwer, ihnen klar zu machen, daß er keinen rechten Beruf zum Geistlichen und auch den vollen Glauben nicht in sich fühle. Da kam plötzlich ein Bote aus Nordstetten mit einem Briefe vom Schultheiß an den Direktor, der den Wunsch enthielt, Ivo einige Tage nach Hause zu entlassen, da seine Mutter eine schwere chirurgische Operation nur in seinem Beisein bestehen wolle.
    Von Angst gejagt, eilte Ivo mit dem Boten nach Hause. Er erfuhr, daß seine Mutter schon vor längerer Zeit beim Fallen von der Treppe einen Arm gebrochen, daß sie aber nicht darauf geachtet, und nun, als es schlimmer geworden sei, der Arm noch einmal gebrochen und wieder eingerichtet werden müsse, sonst müsse sie sterben; nur ihrer Kinder wegen, für die sie sich erhalten müsse, wolle sie sich der schmerzlichen Operation unterziehen.
    Es durchschnitt Ivo die Seele, daß der Bote immer von seiner Mutter sprach, wie wenn sie schon gestorben wäre, oder sicherlich »nicht mehr davonkäme«. »Sie war die rechtschaffenste Frau, so weit man kocht,« war der stete Schluß seiner Reden.
    Das Wiedersehen von Mutter und Sohn war herzergreifend, und die Mutter sagte. »So, jetzt kann ich Alles besser aushalten, wenn du da bist.«
    Andern Tages kam der Chirurgus, er wollte, daß man der Frau die Augen verbinde, sie aber sagte: »Nein, rücket das Bett in die Mitte des Zimmers, so daß ich den Heiland sehen kann, und ihr werdet's erfahren, ich werd' nicht zucken und keinen Laut geben.« – Nach vielem Einreden und Widerstreben wurde ihr willfahrt. In der einen Hand, an ihrem kranken Arme, hielt sie den Rosenkranz, mit der andern hielt sie die Hand ihres Sohnes fest, ihr Auge war starr nach dem Kruzifix gerichtet, und sie sagte: »Lieber Heiland! Du hast die höchsten Schmerzen mit göttlichem Lächeln ertragen, lieber Heiland, gib mir Kraft, halte mich fest, wenn ich zittern will, und wenn die Schwerther mir durch die Seele fahren, will ich dein gedenken, o heilige Mutter Gottes! und stille dulden. Bete mit mir, lieber Ivo.«
    Ohne einen Laut von sich zu geben, ließ sie die Operation vollziehen, und als der Knochen unter gewaltigem Drucke knackte, als Alles ringsum weinte und stöhnte, als der Vater halb ohnmächtig in die Kammer geführt und hinter der verschlossenen Thüre sein halb unterdrücktes Schluchzen laut wurde, da war die Mutter Christine still und regungslos, nur ihre Lippen bewegten sich, ihr Auge war fest auf den Heiland gerichtet, und ein heiliger Glanz leuchtete daraus hervor.
    Als nun Alles vollbracht war, und selbst der Chirurgus nicht umhin konnte, die Heldenkraft der Kranken zu preisen, da sank Christine in die Kissen zurück, ihr Auge schloß sich, aber eine lichte Glorie schwebte auf ihrem Antlitze. Alle Anwesenden standen in stummer Bewunderung. Der Vater war wieder eingetreten. Er beugte sich über seine Frau; als er ihren Athem fühlte, blickte er mit einem schweren Seufzer und dem Rufe: »Gelobt sei Gott!« nach oben. Ivo kniete an dem Bette nieder, er blickte zu seiner Mutter auf und betete die Verklärte an. Alles faltete still die Hände, niemand wagte einen Laut, und es war, wie wenn der lebendige Geist Gottes durch alle Herzen zöge.
    Als die Mutter Christine erwachte und »Valentin!« rief, eilte dieser auf sie zu, faßte ihre Hand, drückte sie an sein Herz und weinte.
    »Gelt,« sagte er endlich, »du verzeihst mir? du sollst g'wiß kein unschön Wörtle mehr von mir kriegen. Ich bin dich nicht werth, das seh' ich erst jetzt doppelt ein; und wenn unser Herrgott dich mir genommen hätt', ich wär' toll geworden.«
    »Sei nur ruhig, Valentin, ich hab' dir nichts zu verzeihen; ich weiß wohl, du bist gut, wenn du auch manchmal nicht so bist, wie du bist. Gräm' dich nur jetzt nicht, Valentin, es geht wieder Alles gut. Unser Herrgott hat uns nur versuchen wollen.« – –
    Die Mutter Christine genas wunderbar schnell. Valentin hielt getreulich Wort. Er wachte um seine Frau wie um ein höheres Leben, der leiseste Wink ihres Auges war ihm ein fröhliches Gebot; man mußte ihn zwingen, sich nur etwas Nachtruhe zu

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