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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Mysterium, das wir nur glauben können, und der Glaube wird in dir wohnen, wofern du dich nur recht befleißest, deine Seele rein und kindlich zu erhalten.«
    »Ja, das ist nicht so leicht,« sagte Ivo zaghaft.
    »Ich will dir einen bewährten Rath geben,« sagte der Professor, die Hand auf die Schulter Ivo's legend: »so oft ein Gedanke in dir aufsteigt, der dich vom Glauben entfernt, such ihn augenblicklich zu bannen durch Gebet und Studium, laß ihn nie länger in dir walten. Es geht uns mit unserm Gotte, wie mit einem Freunde; haben wir uns länger innerlich von ihm entfernt, so finden wir leicht den rechten Weg zu seinem Herzen nicht mehr.«
    Diese Lehre und dieses Gleichniß trafen Ivo gewaltig, aber es war zu spät.
    Man sollte vermuthen, solcherlei Forschungen hätten Ivo über die Kirche hinaus bis an die äußersten Grenzen des Denkens treiben müssen, aber er war und blieb ein gläubiges Gemüth; er war vom Vorhandensein der Wunder lebendig überzeugt, und nur eine Seele, die noch auf dem Zauberboden der Wunder steht, weilt noch auf dem Gebiete des wahrhaften Kirchenglaubens: der Glaube ist die Hingabe an ein Unerklärbares oder Unerklärtes, an ein Wunder.
    Das Widerstreben Ivo's gegen das geistliche Studium hatte noch ganz andere Grundlagen, die ihm jetzt immer deutlicher wurden; die alte Lust nach einem thätigen Leben regte sich in ihm.
    Eine frühere Gedankenreihe, die schon im Kloster zu Ehingen begonnen, aber wieder abgebrochen ward, setzte sich in Ivo fort. »Nicht die schweißvolle Arbeit der Hände,« sagte er zu sich, »ist die Strafe für die erste Sünde, sondern, weil die Menschen vom Baume der Erkenntniß einmal gegessen, müssen sie nun ewig danach streben, ohne sich ganz daran ersättigen zu können; im Schweiße ihres Angesichts suchen sie das Brod ihres Geistes, die flatternden dürren Papiere sind die Blätter am Baume der Erkenntnis, zwischen welchen die Frucht versteckt sein soll. Glückselig, wem der heilige Christbaum mit seinen von höherer Hand angezündeten Lichtern der volle Baum der Erkenntniß geworden. Arbeit! Arbeit! Nur das Thier lebt und arbeitet nicht, es gehet aus, um seine Nahrung zu suchen, und bereitet sie nicht; der Mensch aber greift ein in die ewig schaffende Kraft der Erde, frei mitwirkend in der Thätigkeit des Alls erringt er den Segen der That, kommt Ruhe und Friede über ihn. Ihr verblendeten Römer! Euer Wahlspruch war: Leben heißt Krieg führen, und ihr ginget hin, eure Brüder zu unterjochen, um im stolzen Triumphe in die Roma einzuziehen. Nein! Leben heißt arbeiten. Wohl ist das auch ein Kampf mit den stillen Mächten der Natur, aber ein Kampf des freien Lebens, der Liebe, der die Welt neugestaltet: des Steines Härte weicht des Meißels Kraft und füget sich zum schönen Gebäude; und vor Allem sei du mir gepriesen, Ackerbau! In der Erde Furchenwunden streuest du siebenfältig Leben. Da hebt sich das Herz, da wächst der Geist. Und wie wir die Erde bebauen, sie uns unterthan machen, so lernen wir auch unsere Erdennatur, die wir mit uns herumtragen, beherrschen und lenken; und wie wir des Segens und des Sonnenscheins von oben harren, der unser Werk aufgehen und reifen macht, so ist es dein Wille, o Herr! die Gnade über uns auszugießen, damit die Saat unseres Geistes gedeihe und unsern Leib heilige. Gib mir, o Herr! einen kleinen Fleck Erde, und ich will ihn siebenfältig umarbeiten, auf daß die verborgenen Säfte aufschießen in Halme, die sich vor dem Hauch deines Mundes anbetend neigen. Ich will meine schwieligen Hände lobpreisend zu dir erheben, bis du mich hinaufziehst in das Reich deiner Glorie.«
    »Ich möcht' wohl Pfarrer sein,« sagte er ein andermal vor sich hin, »aber nur des Sonntags: so die ganz' Woch' mit nichts als mit unserm Herrgott und von dem leben, was man von ihm weiß, in der Kirche so daheim sein wie in seiner Stub', da hat man gar keine Kirche und keinen Sonntag mehr. Ach, lieber Himmel! wie schön war mir's, wenn ich des Morgens in die Kirche gekommen hin und hab' ›guten Morgen, Gott‹ gesagt; die Sonne hat ganz anders geschienen, die Häuser haben anders ausgesehen, und die Welt war ganz anders wie an einem Werktag.« Ivo mochte an Emmerenz gedacht haben, denn er sagte weiter: »Das lutherische Pfarrleben gefällt mir auch nicht. Vom Predigen eine Frau und einen Haufen Kinder ernähren, nein! nein!« Dann kamen wieder leise die theologischen Bedenken, und er sagte einmal: »Die Theologie verdirbt die Religion. Was

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