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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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das Fleisch ans Feuer zu stellen braucht. Dem Thal nach sind es ja nur sieben Stund' bis Tübingen, und ich will laufen wie ein Feuerreiter; so ein Sonntag ist lang und morgen Abend bin ich wieder zeitlich da.«
    »So ganz allein willst fort? und in der Nacht?«
    »Allein? unser Herrgott ist überall, und der hält seine Hand über ein armes Mädchen.« Fast unwillig setzte Emmerenz hinzu: »in der Nacht muß ich ja fort, sonst käm' ich ja morgen nicht wieder heim und Er thät balgen.« 2
    »Ich kann nicht nein sagen, es ist mir, als müßt' das so sein; geh in Gottes Namen. Da, nimm mein Nuster mit, da ist ein Stückle Zedernholz vom Berg Libanon drin, das stammt von meiner Urahne, das wird dich beschützen.« Sie nahm den Rosenkranz, der an der Pfoste der Stubenthüre über dem Weihkesselchen hing, reichte ihn Emmerenz und fuhr fort:
    »Ueberlauf' dich nicht; wenn du müd bist, komm erst übermorgen, es ist noch Zeit. Ich hab' auch noch einen Sechsbätzner, den will ich dir geben, und da nimm das Brod mit, Brod aus der Schublade bringt Segen. Aber was sag' ich denn den Leuten, wenn sie nach dir fragen? Ich darf doch nicht lügen?«
    »Ihr saget halt, ich hätt' was Nothwendiges zu schaffen; die Leut' brauchen ja nicht Alles zu wissen. Ich will nur machen, daß ich fort bin, eh Er heimkommt.«
    Mit wunderbarer Behendigkeit sprang Emmerenz treppauf und treppab und besorgte Alles, wie sie gesagt, dann ging sie in ihre Kammer, um sich sonntagsmäßig anzukleiden. Die Mutter half ihr, und als das Mädchen sein schönstes Koller aus der Kiste hervorzog, fiel Etwas, das in ein Papier gewickelt war, klingend auf den Boden.
    »Was ist das?« fragte die Mutter.
    »Das ist ein Stückle Glas, das hat mir der Ivo einmal geschenkt, wie wir noch ganz kleine Kinder gewesen sind,« sagte das Mädchen, mit Hast das Kleinod wieder verbergend.
    Als Emmerenz endlich angekleidet war, sagte die Mutter, ihr Schürzenband auf- und wieder zuknüpfend: »Ich weiß nicht, du solltest eben doch da bleiben.«
    »Da bleiben? Mich halten keine zehn Gäul' mehr. Bosget nur nicht, Ihr habt mir's einmal versprochen, daß ich gehen soll; das wär' das erstemal, daß Ihr Euer Wort nicht halten thätet.«
    Nachdem Emmerenz nochmals in die Stube gegangen und sich aus dem Weihkesselchen an der Thüre im Zeichen des Kreuzes besprengt hatte, machte sie sich auf den Weg.
    Noch unter der Hausthüre suchte Christine die Emmerenz zurückzuhalten, diese aber schritt schnell mit einem »B'hüt Euch Gott!« davon. Christine sah ihr mit frommen Segenswünschen nach, wie sie durch den Garten in das Feld ging.
    Emmerenz wählte diesen Weg, damit niemand im Dorfe ihr begegnete. Als sie nun durch das Schießmauernfeld so dahinschritt, war der Mond von einer großen Wolke bedeckt: sie betrat den dunklen Bergwald, um nach dem Neckar hinabzugehen, ihr schauderte ein wenig, ringsum war Alles so still und so »finster wie in einer Kuh«. Sie schaute sich um, es war ihr, als schritte etwas hinter ihr drein, aber es war nur ihr eigener Schritt, den sie vernommen; muthig hüpfte sie, ohne zu straucheln, über die Wurzeln weg, die sich über den schmalen Waldweg schlängeln. Emmerenz war gut geschult, sie glaubte nicht mehr an Geister und Gespenster, aber an den Mocklepeter glaubte sie steif und fest, hatten ihn ja schon so viele Leute hockeln müssen. Sie hob oft ihre Schultern, um sich zu vergewissern, daß der Geist nicht auf ihr sitze. Auch an das Nickesle glaubte sie, das sich oft den Leuten wie eine wilde Katze oder wie ein Holzblock vor die Füße rollt, so daß, wenn man sich daraufsetzen will, man in feuchten Schlamm versinkt. Sie hielt den Rosenkranz fest um ihre Hand gewunden.
    An der Lichtung des Waldes, wo die schöne Buche steht, an deren glattem Stamm ein Muttergottesbild befestigt ist, dort kniete Emmerenz nieder, faßte den Rosenkranz zwischen ihre gefalteten Hände und betete inbrünstig. Der Mond trat, wie man sagt, mit vollen Backen aus den Wolken hervor und überglänzte wie mit Wohlgefallen die Betende, die sich dann gestärkt erhob und ihres Weges fortschritt.
    Längs des Neckars zog sich nun die Straße hin, zu beiden Seiten standen die schwarzen Tannenwälder bis zum Bergesgipfel hinan, das Thal war meist so eng, daß es nur für schmale Wiesen, für den Fluß und die Straße Raum bot. Alles lag in stiller Ruhe, nur bisweilen zirpte ein Vogel wie aus dem Schlafe, als wollte er sagen: »Ahdele, da ist's recht gut im Nest.« Die Hunde schlugen an, wenn

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