Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Emmerenz an den einsamen Gehöften vorüber schritt; immer wiederkehrende Mühlen klapperten und pochten emsig, aber das Herz des Mädchens pochte noch viel schneller.
Emmerenz war noch nie weiter als zwei Stunden von ihrem Geburtsorte fortgekommen, viele Gedanken bewegten nun ihre Seele. Zuerst lobte sie ihre liebe Heimath, »da ist's doch anders, das liegt auf dem Berg und hat Felder mit Boden wie Speck«. Emmerenz wünschte nur, daß der Neckar über den Berg fließen möchte, damit der Wassermangel nicht so groß sei.
Die Sterne glitzerten hell, Emmerenz blickte hinauf und sagte: »Es ist doch goldig, wie viel Millionen Stern' da oben sind, das ist grad, wie wenn an einer rußigen Pfann' so viel tausend Lichtle funkeln, aber viel, vielmal schöner und heiliger, und da droben sitzt unser Herrgott und hält Wacht. Man verschlaft doch das ganze Jahr recht viel Schönes, und wenn man nicht recht um sich guckt, merkt man's auch nicht, wenn man die Augen offen hat. Er hat recht gehabt, ich merk' jetzt viel besser auf Alles auf, und es macht mir auch viel Freud'.« Da fiel eine Sternschnuppe, Emmerenz hob die Hände empor und rief: »Ivo!« Sie stand still und blickte schamhaft zur Erde, sie hatte den tiefsten Wunsch ihres Herzens offenbart, denn es ist wohlbekannt: was man beim Fallen einer Sternschnuppe wünscht, geht in Erfüllung.
Rasch ihres Weges fortgehend, dachte Emmerenz wieder: »Ach Gott! Wenn ich nur so eine Mühl' hätt', da wollt' ich schaffen wie ein Gaul. Ach, lieber Heiland! es muß doch prächtig sein, wann man so ein Gütle anguckt und sagen kann: das ist mein. Ich möcht' nur wissen, wen er heirathen thät', wenn er kein Geistlich wird? Unser Herrgott ist mein Zeug', ich lauf grad so gern für ihn, wenn er auch eine andere nähm'; grad so gern? nein, das doch nicht, aber doch rechtschaffen gern. Er hat recht, daß er kein Geistlich wird: so niemand auf der Welt haben und niemandes sein, das ist doch ein schwer Kreuz. Wenn unser Herrgott gewollt hätt', daß man kein Weib nehmen sollt', hätt' er lauter Mannsleut' gemacht und ließ er die Menschen auf den Bäumen wachsen. Ei, das sind doch recht gottlose Gedanken« – schloß Emmerenz ihr Selbstgespräch und lief schneller, als wollte sie ihren eigenen Gedanken entfliehen. Sie richtete mit Gewalt ihr Sinnen auf die Außenwelt und, auf das Rauschen des Flusses horchend, gleich ihm unaufhaltsam fortschreitend, dachte sie: »Es ist doch gar ein wunderiges Ding, so ein Wässerle, das lauft und lauft immerfort. Gelt, du möchtest nur so für passlethan dein's Wegs fort und nichts schaffen? Aber Mulle blas Gerste, das geht nicht, guck, du mußt halt auch die Floß tragen und da mußt du die Mühlen treiben: schaffen muß Alles auf der Welt, und das ist auch recht. Das ist ja auch sein (sie meinte Ivo) Kreuz, er möcht' auch schaffen und nicht bloß predigen und Meß verrichten und in denen Büchern lesen, da hat man ja noch nichts geschafft. Ich will ihm schon Alles sagen, aber von mir darf er nichts merken.«
Es tagte, und nun erst wurde es Emmerenz recht leicht. Sie strich sich ihre Kleider glatt, ging hinab an den Fluß, wusch sich die Augen hell und glättete ihr Haar; träumerisch stand sie eine Weile da und schaute nach ihrem Bilde, das der Fluß widerspiegelte, ihre Augen waren starr auf die Wellen gerichtet, aber sie sah nichts, sie hatte, was man so sagt, »den Glotzer«; da ist es, als ob ein Gedanke den leiblichen Blick von der nächsten Umgebung entführt, um ihn auf einen Gegenstand zu lenken, der vor der Seele schwebt, damit man ihn lebendiger erschaue. Weiterschreitend schaute sich Emmerenz oft verwundert in der Gegend um, es war ihr ganz eigen zu Muthe, so allein beim ersten Sonnenstrahl auf fremdem Boden zu stehen, wo niemand sie kennt, niemand etwas von ihr weiß; trotzdem sie den Gang wohl spürte, war es ihr doch, wie wenn sie urplötzlich dahergezaubert wäre.
Es war ein schöner, heller Augustmorgen, die Lerchen jubelten froh in den Lüften, im Walde zwitscherten die Amseln; alles das machte keinen Eindruck auf Emmerenz, sie war das gewohnt, und im Weitergehen sang sie:
Die hohen hohen Berge,
Das tiefe tiefe Thal!
Jetzt seh' ich mein schön Schätzle
Zum allerletztenmal.
In Rottenburg machte sie eine Weile Rast, dann ging sie wieder neu gestärkt weiter. Erst als sie Tübingen sah, fiel es ihr schwer aufs Herz, wie sie es anfangen sollte, den Ivo im Kloster zu sehen. Sie erinnerte sich indes, daß des Christians
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