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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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erregte der Brief das höchste Entzücken. Kaum aber war die erste Freude der Botschaft vorüber, da lächelte die Mutter oft schmerzlich vor sich hin; sie ging gedankenvoll im Hause umher und redete wenig. Oft ließ sie sich Abends, wenn ihr die Augen übergingen, den Brief von Emmerenz vorlesen, und wenn sie an die Stelle kam: »Ich will mein Leben Gott opfern, der mir es gegeben, ich will Euch, meine liebe Mutter, die höchste Freude Eures Lebens gewähren,« da seufzte Christine schwer.
    Einst, am Samstagabend, saßen Christine und Emmerenz bei einander und schälten Kartoffeln auf morgen; Emmerenz hatte den Brief wieder vorgelesen, und sie sagte nun:
    »Bas, es ist mir immer, als ob Ihr Euch nicht grundmäßig freuen könntet, daß der Ivo Geistlich wird; saget's nur frei von der Leber weg, ich merk's wohl, vor mir brauchet Ihr ja kein Hehling haben.«
    »Du hast Recht, guck, ich will dir's nur sagen, vor ihm (sie meinte hiermit ihren Mann) dürft' ich davon nicht schnaufen, da wär' gleich Feuer und Flamm' auf dem Dach. Guck, mir ist es halt immer, wie wenn ich eine schwere Sünd' begangen hätt'; guck, ich hab' ihm sein Herz so schwer gemacht, und er ist gar ein gut Kind, es ist kein bös Blutströpfle in ihm, und da wird er mir zulieb Geistlich, und sein Herz hängt doch an der Welt, und das ist eine schwere Sünd'.«
    »Das ist ja ganz erschrecklich, da hätt' ich kein' ruhige Stund', da müßt' mir geholfen sein.«
    »Ja, aber wie? Guck, ich möcht' ihm das gern zu wissen thun, und hinter ihm (sie meinte hiermit wieder ihren Mann) mag ich mich doch dem Schullehrer nicht anvertrauen, und ich kann doch selber nicht mehr schreiben.«
    »Da ist leicht geholfen, da schreib' halt ich, ich kann's ganz gut, und Ihr saget mir Alles vor.«
    »Ja, das ist ja wahr, daran hab' ich gar nicht dacht. Du bist ein lieb' Kind, komm, wir wollen gleich.«
    Nun war aber großer Jammer, denn nirgends war eine geschnittene Feder zu finden; so geringfügig dieß auch erscheinen mag, so war es doch ein großer Mangel. Emmerenz wollte zum Schullehrer gehen und sich eine schneiden lassen, sie wollte der fragenden Frau Schulmeisterin schon was vorlügen, aber Christine duldete es nicht. »Wir dürfen nicht mit einer Sünd' anfangen,« sagte sie. Die gleiche Antwort gab sie auch, als Emmerenz sagte, sie wisse, wo der Schullehrer seine Federn liegen habe, sie wolle eine stehlen und dafür ein Dutzend ungeschnittene Eckfedern hinlegen. Endlich rief Emmerenz, sich erhebend: »Ich kriege eine. Meiner Schwester ihr Bub', der Karle, geht ja in die Schul', der muß mir eine geben.« Sie sprang fort und kehrte jubelnd, eine Feder in der Hand, zurück.
    Nun setzte sie sich an den Tisch, zog mit einer Kluf 1 den Docht an der Lampe besser heraus, legte Alles zurecht und sagte:
    »So, jetzt machet mir die Diktate.«
    Die Mutter saß hinter dem Tisch in der Ecke unter dem Kruzifix und versuchte es, noch eine Kartoffel zu schälen, sie sagte:
    »Schreib: ›Lieber Ivo‹. Hast das?«
    »Ja.«
    »›Ich denk' alleweil an Dich; es vergeht kein' Stund' im Tag, und nachts, wenn ich im Bett: lieg' und wach', sind meine Gedanken bei Dir, herzlieber Ivo.‹«
    »Nicht so schnell, sonst komm' ich nicht nach,« jammerte Emmerenz; sie hob ihr hocherrötend Antlitz, blickte in das Licht und kaute eine Weile an der Feder; gerade so hätte sie ja auch für sich selber an den Ivo geschrieben; ihr Angesicht fast ganz auf das Papier legend, schrieb sie dann und sagte endlich: »herzlieber Ivo – weiter.«
    »Nein, lies mir zuerst vor, was du geschrieben hast.«
    Emmerenz las.
    »So ist's recht, jetzt schreib weiter: ›Es ist mir nicht recht wohl dabei, daß Du Dich wieder so schnell andere resolviert hast.‹ – Halt, das schreib noch nicht ... so darf man nicht anfangen.«
    Emmerenz stützte das Kinn auf die Hand und blickte harrend drein; die Mutter aber sagte:
    »Du hast jetzt schon gehört, wie mir's ums Herz ist, schreib du jetzt Alles, so macht's der Schullehrer auch.«
    »Ich will Euch was sagen,« begann Emmerenz, sich erhebend, »so ein Brief kann in unrechte Händ' kommen, er kann verloren gehen, und wir können's ja doch nicht so recht aufsetzen; das best' wird sein, ich geh' zum Ivo und sag' ihm Alles. Morgen ist Sonntag, da versäum' ich nichts, Kurzfutter hab' ich geschnitten, ich will dem Vieh noch schnell über Nacht geben, und den einzigen Tag kann's mein' Schwester schon versorgen; die Grundbirnen sind geschält, ich richt's hin, daß Ihr bloß

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