Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Gemeindeschreiber, daß du so Sachen machst?«
    »Ich bin für mein Geld da und thu' was ich will,« er widerte der Studentle, »und Vorlesen gehört nicht in's Wirthshaus.«
    Ein Murren entstand.
    »Still,« rief Mathes, »keine Händel, da ist leicht geholfen. Adlerwirth, ich spring' schnell heim und hol' Holz, und da machen wir Feuer in die obere Stub'. Wer zuhören will, der geht mit 'rauf, und wer nicht will, kann da bleiben.«
    »Ich hol' schon,« sagte Thaddä, der diesen Abend auch gekommen war, und machte sich rasch auf den Weg.
    In der obern Stube glühte der Ofen bald, denn Thaddä wollte durch Nachschüren um kein Wort kommen; der Mathes setzte sich neben den Lehrer und putzte ihm das Licht. Der Lehrer las das Goldmacherdorf von Zschokke.
    Trotz seines edlen Gehaltes hatte das Buch doch nicht die Wirkung, die der Lehrer wohl mit Recht erwartet hatte; es griff so unmittelbar an das Bauernleben, daß ein Jeder seinen Maßstab ohne Scheu an die getroffenen Einrichtungen anlegte.
    Es würde zu weit führen, wenn hier alle ausgesprochenen Urtheile wiederholt werden sollten. Allemal, wenn der Ausdruck vorkam: »Oswald öffnete seinen Mund und sprach,« lächelte der Buchmaier, denn dieser Bibelton mißfiel ihm sehr. Manche Rede ging spurlos vorüber, manche traf aber auch den Nagel auf den Kopf, so daß die Leute einander ansahen und nickten.
    Sonderbar! als zu Ende gelesen war, stellte sich heraus, daß die meisten Leute für das Dorf gegen den Oswald Partei ergriffen hatten. Der Mathes traf zuerst den Grund dieses Widerspruchs, indem er sagte:
    »Mir gefällt's nicht, daß der Oswald so allein Alles gut machen will und muß.«
    »Und ich möcht' sagen,« begann Thaddä, »ich möcht' ihm seinen Federbusch und seinen Stern 'runterreißen; er ist ein braver Kerl, er braucht das nicht.«
    »Hast Recht,« sagte der Buchmaier, »er spielt überhaupt zu viel den Herrn, und sein Erbprinz da, zu was braucht man den? Aber ich bin dir grad in die Red' gefallen, Andres, du hast was sagen wollen; 'raus mit den wilden Katzen.«
    »Ich mein', der Oswald wär' ein Häfelesgucker; daß er so viel vom Kochen versteht, hat mir nicht gefallen.«
    »Und ich mein',« sagte Kilian, »die Bauersleut' seien viel zu dumm hingestellt; so arg ist's nicht.«
    »Ja du bist doch auch ein Schriftgelehrter,« sagte Hansjörg. Alles lachte.
    »Jetzt mein' Meinung ist,« sagte der Maurer Wendel, »das Dorf ist zuerst viel zu schlecht und nachher viel zu gut; ich kann's nicht recht glauben, daß es an einem Orte so ist.«
    »Mich verdrießt am meisten,« sagte der Buchmaier, »daß zuletzt auch noch ausgemacht wird, was man für Kleider tragen darf. Das ist grad wie mit dem Thierquäler-Verein, das muß man einem Jeden selber überlassen. Und einmal hab' ich das Lachen kaum mehr verhalten können, wie der Oswald in seiner Uniform und mit dem Federhut all' die zwei und dreißig Mann einen nach dem andern umarmt; potz Blitz, das ist ein Geschäft!«
    Der Lehrer zeigte nun, daß das Buch schon vor vielen Jahren geschrieben sei und alte Zustände behandle, daß es ein edles Buch sei, das viele beherzigenswerthe Lehren enthalte. Er bewies, wie sehr nöthig noch oft das äußere Ansehen, Geld, Uniform u.dgl. sei, um guten Absichten Eingang zu verschaffen, und schloß, daß man unrecht thue, wegen einzelner Kleinigkeiten so hart über das Ganze herzufahren.
    »Davon ist kein' Red',« sagte der Buchmaier. »Wenn ich den Mann, der das Buch geschrieben hat, einmal sehen thät, ich thät den Hut vor ihm ab, lieber als vor dem größten Herrn, und ich thät sagen: Du bist ein rechtschaffener Herzmensch, du meinst's recht gut mit uns, so ist's.«
    Als man sich endlich zum Fortgehen anschickte, stieß Thaddä den Mathes an und sagte leise:
    »Sag's nur jetzt, sonst lauft wieder Alles auseinander.«

    »Wie meinet ihr, ihr Mannen,« begann Mathes, »wie wär's, wenn der Herr Lehrer so gut sein wollt' und uns jed' Woch' ein paar Abend so vorlesen thät?«
    »Ja, das wär' prächtig,« riefen Alle.
    »Ich bin gern bereit,« sagte der Lehrer, »wir wollen morgen Mittag zusammenkommen, etwa im Schulzimmer; unterdessen kann sich jeder über den Verein besinnen und Vorschläge machen.«
    »Ja, so ist's recht,« hieß es allgemein, und man trennte sich mit großem Behagen.
    Andern Tages wurde die Versammlung gehalten, sie war stürmisch. Der Lehrer hatte mit dem Buchmaier einen Entwurf der Vereinsordnung aufgesetzt. Ein Punkt nach dem andern wurde verlesen und

Weitere Kostenlose Bücher