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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Hauche der Natur angeweht, erwachte in den Beiden eine hohe, himmlische Freude, um sie her pflückte der Herbst die gelben Blätter, in ihnen aber lebte ein neuer, nie geschauter Frühling.
    Andern Tages verlangte die Großmutter nach der letzten Oelung. Der Lehrer nahm dem Meßner den Dienst ab und ging mit der Laterne in der Hand dem Pfarrer voraus; ein großer Theil der Gemeinde blieb an der Thüre stehen und betete, während drinnen Maurita »versehen« wurde. Der einzige Gedanke, der den Lehrer bei dieser Handlung beherrschte, war: möchten doch die Freidenkenden ebenso zuversichtlich hinübergehen in den Tod. – Mit offenen, glänzenden Augen empfing Maurita das Abendmahl, dann kehrte sie sich nach der Wand zu, sie sprach nicht mehr; und als man nach einer Weile nach ihr umschaute, war sie todt.
    Mit stiller, andächtiger Wehmuth, ohne lautes Weinen und Wehklagen wurde Maurita begraben. Alles im Dorfe trauerte. Selbst der alte Schmiedjörgli sagte mit ungewohntem Ernste: »Es thut mir von Herzen weh, daß sie todt ist; nun, jetzt kommt's an mich.«
    Als der Lehrer von dem Begräbnisse nach Hause, d.h. zu Hedwig kam, umfaßte ihn diese weinend und sagte: »Jetzt bist du mir doppelt nöthig, ich hab' kein' Ahne nicht mehr.«
    Dem Lehrer ward das Dorf von nun an noch einmal so werth und eigen, er hatte ein neues Leben darin gefunden und einen lieben Todten darin begraben.
     
    So hätten wir denn die gute Maurita bis zum andern Leben und den Lehrer bis zu einem neuen Leben begleitet. Wir können der guten Großmutter nicht in den Himmel nachfolgen und wollen noch eine Weile zusehen, welch ein Leben der Lehrer auf Erden führt.
    Im ganzen Dorfe hatte seine Verlobung Jubel und Freude erregt; selbst unter den Kindern, die auf dem Brandplatze spielten, gab es lebhafte Verhandlung, da das eine und das andere seine Verwandtschaft mit Hedwig und hierdurch mit dem Lehrer darthun wollte. Der Johannesle hatte sonst wenig Freunde im Dorfe, aber über das neue Ereigniß freute sich Alles. Jeder kam dem Lehrer entgegen, gab ihm die Hand und sagte: Ich wünsch' Glück und Segen; Jeder wußte etwas Liebes und Gutes von Hedwig zu erzählen. Männer und Frauen, die sonst vielleicht im Leben nicht dazu gekommen wären, so Zutraulich mit dem Lehrer zu sprechen, standen jetzt bei ihm wie alte Bekannte. Der Mathes kam zu ihm ins Haus, schüttelte ihm wacker die Hand und sagte:
    »Ich war halt doch der wo's prophezeit hat, daß es so gehen wird; wisset Ihr noch? Ihr hättet mir weiß nicht was schenken mögen, ihr hättet mir kein' größere Freud' machen können. Wenn der alt' Lehrer stirbt, krieget Ihr auch die zwei Aecker, die er in Nutznießung hat; es sind gute Aecker und Ihr dürfet mir's nur sagen, ich schaff' Euch gern ein paar Tag d'rauf.«
    Dem Lehrer that diese Zuthunlichkeit der Leute doppelt wohl, er erkannte ihr gutes Herz daraus und fühlte auch, wie er jetzt weit sicherern Boden gewonnen habe, um in das Leben aller dieser Menschen einzugreifen.
    Die Menschen sind es nicht mehr gewohnt, daß man aus allgemeiner Liebe sich ihnen naht, ihnen frei und froh ins Auge schaut, sie zu erquicken, zu erfreuen, zu erheben trachtet. Sie wurden schon oft betrogen und getäuscht und meinen nun immer: man müsse etwas Besonderes dabei haben, dahinter müsse Etwas stecken; ja, sie erlauben Einem nur sie ohne Scheu zu lieben, wenn man mit ihnen blutsverwandt oder verschwägert ist.
    Der Winter kam mit starken Schritten in das Dorf, die Menschen blieben zu Hause und genossen die Früchte ihres Fleißes, die sie bei sich eingesammelt hatten; Dreschen und bisweilen Dünger hinausführen war noch das einzige Geschäft. Als abgedroschen war, herrschte Stille im ganzen Dorfe. Nur hie und da hörte man einen fremden Hausirer durch die Gassen rufen: »Spindla, Weiber Spindla!« Der Schnee wirbelte, Niemand verließ gern die warme Stube. Da schlich am hellen Tage ein böser Geist auf leisen Sohlen durch das Dorf, es war: die Langeweile. Und wen der Geist ansah, der mußte gähnen oder zanken und Händel suchen. Die Zeit der Ruhe war keine Zeit der Erholung, denn die Leute wußten nicht, wie sie das lästige Ungeheuer, die Zeit, todtschlagen sollten. Junge Männer und ledige Burschen saßen oft ganze Tage im Wirthshause und kartelten; man schien aber doch an der überlangen Zeit noch nicht genug zu haben, denn man harrte bis zur letzten Minute der Polizeistunde aus. Andere gingen frühe zu Bette und verschliefen ihr Leben, wieder Andere wandelten

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